Die Sonne blinzelte immer wieder zwischen der Wolkendecke hervor und lässt die Fassade jenes Hauses in der Steinbergstraße 24 im Grazer Westen erleuchten, in dem Roman Langmann ab 1933 mit seiner Familie wohnte. Seine Tochter Anna-Lore (90) trocknet ihre Tränen immer wieder und hebt die Hand mit den Worten: "Das war mein Papa!" Ihrem Vater zum Gedenken wurde heute am frühen Nachmittag ein Stolperstein verlegt. Dieser soll, wie all die anderen, die in der Stadt verstreut sind, an Leid, Widerstand, Mut und Verzweiflung erinnern, die Persönlichkeiten im NS-Regime erfahren mussten.
Kein einziges Wort
Der 1903 geborene Roman Langmann war bereits in der Zeit des austrofaschistischen Ständestaates innerhalb der Kommunistischen Partei aktiv, was ihm mehrere Verhaftungen einbrachte. Bald nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde er erneut festgenommen und im August 1940 ins KZ Dachau deportiert. Von dort kam er im November 1944 in eine Strafkompanie. Während des Fronteinsatzes in Ungarn desertierte er bei der ersten sich bietenden Gelegenheit und lief zur Roten Armee über. Im September 1945 kehrte Langmann nach Graz zurück, er verstarb im hohen Alter von 90 Jahren 1993. Sein Enkelsohn Fritz, der bei der heutigen Stolpersteinverlegung gemeinsam mit rund zwanzig direkten Verwandten anwesend war, erzählte: "Mein Opa hat nie über die Zeit in Dachau gesprochen. Kein Wort. Er hat mich gelehrt, die Gesellschaftsgrundsätze zu hinterfragen und sich stets die Frage zu stellen: 'Wem nutzt das?'"
Bei der vom Verein für Gedenkkultur organisierten Veranstaltung mit anschließendem Gedenkrundgang war neben Bürgermeisterin Elke Kahr auch Stadtrat Robert Krotzer anwesend. Birgit Roth vom Verein begrüßte die zahlreich erschienen Gäste und berichtete: "Seit elf Jahren werden Stolpersteine in Graz verlegt. Es handelt sich dabei um das weltweit größte dezentrale Mahnmal." Es sei damit nicht nur eine öffentliche Erinnerung gewährleistet, sondern auch jene an einzelne Biografien.
Bürgermeisterin Kahr, die die Familie Langmann persönlich kennt, war sehr bewegt: "Die Stolpersteine, zeigen wie wichtig es ist, Zeichen des Widerstands im öffentlichen Raum sichtbar zu machen, den Menschen, die dahinterstehen ein Gesicht zu geben. Eine Honoration, die sie schon zu ihren Lebzeiten hätten erfahren sollen.
Während der glänzende Stein von einem Mitarbeiter der Holding Graz fachkundig verlegt wurde, legten die Anwesenden der Reihe nach rote und weiße Nelken daneben ab, begleitet von musikalischen Klängen.
258 Stolpersteine
Mit der heutigen Verlegung gibt es 258 "Stolpersteinen", die in Graz an das Schicksal von Menschen gemahnen sollen, die in der NS-Zeit vertrieben, deportiert, enteignet, in den Selbstmord getrieben oder ermordet wurden. An 94 verschiedenen Stellen in der Stadt sind die Gedenksteine nun zu finden. Sie verzeichnen die Namen, Lebensdaten und Schicksale der Opfer. Initiatorin ist Daniela Grabe vom Verein für Gedenkkultur.
Erfinder der Stolpersteine ist der deutsche Künstler Gunter Demnig. Über 100.000 verlegte Steine gibt es insgesamt.