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Kleine Stadtgeschichte

Gracz

Sporgasse / Hofgasse, mittelalterliche Hofstätten-Anlage, Dachlandschaft
Sporgasse / Hofgasse, mittelalterliche Hofstätten-Anlage, Dachlandschaft

Die älteste Nennung von „Gracz" ist in einer Urkundenschrift von 1128 zu finden (eine Nennung „Grez" von 1091 ist unsicher). Bei archäologischen Forschungen der letzten Jahre wurde allerdings ein wesentlich älteres Gräberfeld des 9. Jahrhunderts im Bereich der Hofgasse entdeckt, welches vermutlich zu einer ersten Siedlung am Schloßbergfuß gehörte. Funde am heutigen Hauptplatz und in der Sackstraße bezeugen dann eine Besiedelung seit dem 11. Jahrhundert; hier entstand an einer Weggabelung am Murübergang der erste Straßenmarkt. Die Anlage des heutigen Hauptplatzes erfolgte durch Schleifung älterer Häuser erst im frühen 15. Jahrhundert, vielleicht unter Herzog Ernst dem Eisernen, dem Vater von Kaiser Friedrich III.

Graz im 13. Jahrhundert

Die lang gestreckten Hofstättengrundrisse in der Sackstraße und entlang der Ostfront von Hauptplatz und Herrengasse lassen nachvollziehen, dass ein Großteil der Bürger neben dem Gewerbe auch Landwirtschaft betrieb. Wegen dieser vorwiegend wirtschaftlichen Bedeutung besaß Graz im Frühmittelalter kein innerstädtisches Kirchenzentrum; die seit dem 13. Jh. als Pfarrkirche fungierende Ägydiuskirche stand in erhöhter Lage außerhalb des Stadtzentrums. Diese, für jene Zeit typische Bipolarität zwischen Marktanlage und erhöhter Wehrkirche, bildete den Grundstein für die spätere Entwicklung von Altstadt und Stadtkrone.

Seit dem Ende des 13. Jhs. stand die Stadt Graz unter der Herrschaft der Habsburger. Die 1379 erfolgte Teilung der habsburgischen Länder schuf die Grundlage für ein selbstständiges innerösterreichisches Territorium mit den Ländern Steiermark, Kärnten, Krain und Istrien. Graz wurde auf Grund seiner Bedeutung von der Leopoldinischen Linie der Habsburger zur Residenz erkoren.

Kaiser Friedrich III

Herzog Friedrich V leitete den baulichen Aufschwung der Stadt ein. In der Folge zum Kaiser Friedrich III (1440-1493) gewählt, prägte er das Stadtbild der Residenz Graz, in der er den Großteil seiner Regierungszeit verbrachte. Mit dem Neubau von Stadtburg und gotischer Pfarrkirche, dem heutigen Dom, schuf er außerhalb des Stadtkerns die Basis für die erhöht gelegene Stadtkrone, die über das bauliche Ensemble hinausgehend jene für die Habsburger kennzeichnende Verknüpfung weltlicher und geistlicher Macht manifestiert. Durch den gleichzeitigen Ausbau der Altstadt mit der Erweiterung der Stadtmauer, der Befestigungsanlagen am Schloßberg und der Errichtung zahlreicher kirchlicher und profaner Bauten legte er - einzigartig in Österreich - Fundament und Entwicklungsmöglichkeit für die heute noch weitgehend erhaltene, bipolare historische Stadtanlage. 

Als Kaiser Friedrich III im Jahre 1493 verstarb, setzte sein Sohn Kaiser Maximilian I den baukünstlerischen Abschluss des Mittelalters. Er ließ im Jahr 1499 in einem Trakt der Grazer Burg die Doppelwendeltreppe erbauen, die mit ihren gegenläufig gedrehten Steinstufen ein im gesamten deutschen Sprachraum einmaliges architektonisches Meisterwerk des Spätmittelalters darstellt.

Erzherzog Karl II von Innerösterreich

Die Zeit von 1564 bis 1619, in der Graz nach einer weiteren Teilung des Habsburgerreiches unter Erzherzog Karl II zur Residenz Innerösterreichs wurde, findet in der Stadtentwicklung ihren signifikanten Ausdruck. Die massiven Türkeneinfälle forderten zur Sicherung der Südostgrenze des Landes von Wien über Graz bis zum Adriatischen Meer eine durchgehende Festungskette als Bollwerk gegen die muselmanische Gefahr und brachten Graz erneut in eine Schlüsselstellung. Der Ausbau der Stadtbefestigung und des Schloßberges wurde nach dem neuen italienischen Bastionärsystem vorangetrieben und das Stadtareal durch den Bau von Bastionen und Ravelins nahezu verdoppelt. Als Befestigungsbauleute wurden hervorragende Architekten aus Italien geholt, die von den Hofbeamten, die Erzherzog Karl II nach Graz berufen hatte, auch für großzügige zivile Neu- und Umbauten herangezogen wurden.

Durch diese Einflüsse der italienischen Renaissance entstand aus den deutschen Hofstättenanlagen der Altstadt eine einzigartige Mischung und Überlagerung künstlerischen Formengutes. Einen beispielhaften Monumentalbau dieser Epoche stellt das Landhaus in der Herrengasse mit seiner charakteristischen oberitalienischen Hauptfassade und dem großzügigen Arkadenhof dar. Es wurde im Auftrag der vorwiegend protestantischen steirischen Landstände ab dem Jahre 1557 vom italienischen Baumeister Domenico dell' Aglio erbaut und ist einer der bedeutendsten Renaissancebauten außerhalb Italiens.

Mit der beginnenden Gegenreformation und der Berufung der Jesuiten nach Graz im Jahre 1572 und deren Bauaktivität verschmilzt der nordöstliche Teil der Altstadt mit der Stadtkrone. Die Bereiche um Burganlage und Hofkirche werden in der Folge durch das vom italienischen Baumeister Vinzenz de Verda ab 1572 errichtete Jesuitenkollegium, heute Priesterseminar, erweitert. Der monumentale Gebäudekomplex gehört zu den ersten Jesuitenkollegien im deutschen Raum und entspricht als Einziger noch weitgehend den ursprünglichen Bauprinzipien. Damit stellt er ein für die gesamte deutsche Ordensprovinz bedeutendes Dokument früher Jesuitenarchitektur dar.  

Landhaushof, Innenhof
Landhaushof, Innenhof
Graz von Süden um 1626/1657, Laurenz van de Sype / Wenzel Hollar, Kupferstich
Graz von Süden um 1626/1657, Laurenz van de Sype / Wenzel Hollar, Kupferstich
Jesuitenkollegium
Jesuitenkollegium

Vom 17. Jahrhundert bis heute

Die Wahl Ferdinands zum Kaiser - der Grazer Hof zog 1619 nach Wien - bedeutete das Ende als Residenzstadt. Graz blieb aber Landeshauptstadt, denn die 1625 neu organisierten Grazer Behörden verwalteten weiterhin die innerösterreichischen Länder. Auch zu Beginn des 17. Jhs. errichteten italienische Baumeister repräsentative Monumentalbauten. Im Konnex mit dem Priesterseminar bildete die ehemalige Jesuitenuniversität (1607/09), die Wiege der heutigen Karl-Franzens-Universität, das wichtigste geistige Zentrum im gesamten südosteuropäischen Habsburgerreich.

Eines der bauhistorisch interessantesten Gebäude ist das von Antonio Solar erbaute Landeszeughaus (1643/44). Als ständiges Waffendepot gegen die Türkeneinfälle errichtet, lagern im Inneren in vier durch hölzerne Balkendecken unterteilten Stockwerksälen etwa 32.000 Waffen und Kriegsgerätschaften. Das Grazer Zeughaus ist somit heute das einzige der Welt, das seine Funktion als Waffenkammer seit 1644 in ununterbrochener Folge behalten hat.

Das Mausoleum mit der Katharinenkirche, auf dessen Kuppeln weithin sichtbar Kreuz und Reichsinsignien die enge Verbindung von Kirche und Herrscher demonstrieren, verleihen dem Stadtbild eine charakteristische Silhouette. Dieser größte Mausoleumsbau der Habsburger stellt das kunst- und kulturgeschichtlich bedeutendste Baudenkmal des Manierismus in der 1. Hälfte des 17. Jhs. in Österreich dar. 

Das Abwandern des kaiserlichen Hofes nach Wien führte zu einem für diese Zeit typischen, immer noch von den hier tätigen italienischen Handwerkern und Künstlern getragenen Aufschwung adeliger und bürgerlicher Baukultur. So entstanden in der Barockzeit eine stattliche Anzahl auch für Österreich baugeschichtlich bedeutender Palais (z.B. Attems, Wildenstein, Stubenberg, Welsersheim) mit künstlerisch hochwertigen Stuckdekorationen, die sowohl Innenräume als auch Außenfassaden bereichern.  

Herrengasse: Landhaus und Landeszeughaus
Herrengasse: Landhaus und Landeszeughaus
Palais Attems
Palais Attems
Mausoleum, Fassade mit Katharinenkirche
Mausoleum, Fassade mit Katharinenkirche

Uhrturm und Glockenturm werden freigekauft

Der heutige "Platz Am Eisernen Tor" um das Jahr 1889 mit Blick in die Herrengasse.
Der heutige "Platz Am Eisernen Tor" um das Jahr 1889 mit Blick in die Herrengasse. © Kubinzky

In den folgenden Jahrhunderten prägen italienische Baumeister die Stadt mit ihrer Baukultur. Graz wird eine mächtige Festung des „Heiligen Römischen Reiches“ gegen die Bedrohungen aus dem Südosten. Im Zuge der Napoleonischen Kriege werden 1809 die letzten Festungsanlagen zerstört, ohne je erstürmt worden zu sein. Die Grazer Bürger kaufen allerdings um 2987 Gulden und 11 Kreuzer (nach heutigem Wert ca. 87.000 Euro) den Uhrturm sowie den Glockenturm von der Zerstörung frei - sie sind heute die Wahrzeichen der Stadt.

Graz profiliert sich fortan rein zivil in der Welt der Wissenschaft, der Kultur und der Technik. Heute ist Graz die Hauptstadt des Bundeslandes Steiermark und mit rund einer Viertelmillion EinwohnerInnen die zweitgrößte Stadt Österreichs. Auch das Stadtarchiv hat eine Stadtgeschichte aufbereitet.

Schmelztiegel der Kulturen

Die Stadt liegt an einem Schnittpunkt der europäischen Kulturen. Hier konnten sich romanische und slawische, auch magyarische und natürlich germanisch-alpine Einflüsse zu einem ganz spezifischen Charakter verbinden. Wer die Grazer Altstadt durchwandert - übrigens eines der größten geschlossenen Ensembles des deutschen Sprachraumes - der kann diesen Charakter an den Bauwerken der Gotik, der Renaissance, des Barock, des Historismus bis hin zum Jugendstil ablesen. Diese - auch im Kontrast mit der behutsam eingefügten modernen Architektur - einzigartige Altstadt wurde mit Beschluss vom 1. Dezember 1999 von der UNESCO in die Liste der "Weltkulturerbe" aufgenommen. Diese Auszeichnung ist eine große Ehre für Graz, aber auch Herausforderung und Auftrag, in den Bemühungen um die Erhaltung der Innenstadt nicht innezuhalten. Die multikulturelle Tradition, die die Stadt seit Jahrhunderten prägte, wird in Graz als Fundament seiner kulturellen und politischen Identität verstanden. Graz ist heute ein Ort der internationalen Begegnung und des interkulturellen wie -religiösen Dialoges.

Vorbildlicher "Hingucker"

Die steirische Landeshauptstadt ist aber auch weltweit vorbildliche Ökostadt. Innovative Umweltprojekte wie "Ökoprofit" oder "Thermoprofit" sind sehr erfolgreich und finden bereits in zahlreichen Ländern Nachahmung.

2003 geht wohl als eines der bedeutendsten Jahre in die Geschichte der Stadt ein: Graz wurde von den KulturministerInnen der EU zur "Kulturhauptstadt Europas 2003" ernannt und konnte mit einem bunten und vielfältigen Programm Gäste aus aller Welt anziehen und für einen nachhaltigen Erfolg sorgen. Graz hat als Kulturhauptstadt seinen Platz auf der Landkarte zurückerobert und wird seither wieder in einem Atemzug mit Wien und Salzburg genannt.

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