1. Zukunftsbild und Ziele
Städte stehen heute vor vielen Herausforderungen, so auch Graz. Klima- und Energiekrise, die fortschreitende Urbanisierung und die begrenzte Fläche benötigen mutige Schritte, um die städtische Lebensqualität zu erhalten. Wie das Graz des Jahres 2040 aussehen und funktionieren wird, können wir uns zwar heute kaum noch vorstellen, jedoch können - und müssen - wir uns Ziele setzen und ein Zukunftsbild zeichnen.
Graz wird im Jahr 2040 anders aussehen. Es wird leiser sein. Grüner, lebenswerter und gesünder. Nachhaltige und platzsparende Mobilität wird eine immer wichtigere Rolle spielen und Flächen für die Begrünung der Stadt werden zur Verfügung stehen. Alle Grazerinnen und Grazer, von Jung bis Alt, können sicher mit dem Rad fahren, Kinder können sich sicher über Straßen und Plätze bewegen. Mobilitätseingeschränkte Personen werden eine barrierefreie Stadt vorfinden, in denen es ausreichend Angebote und Möglichkeiten gibt, um sicher, schnell und komfortabel von A nach B zu kommen. Das und vieles mehr setzt sich der Mobilitätsplan Graz 2040 zum Ziel.
„Heute umgesetzte Mobilitätsmaßnahmen beeinflussen maßgeblich die Situation der nächsten Jahrzehnte und sind daher stets durch die Augen der Grazer:innen des Jahres 2040 zu betrachten."
Im Kapitel der Ziele des Mobilitätsplan Graz 2040 wird die Gesamtmobilität der Grazer:innen betrachtet und sektorale Ziele für die einzelnen Verkehrsarten definiert. Ein wesentliches Mittel, welches als Zeiger der Erreichung der Ziele herangezogen werden kann, ist der Modal Split der Grazer Wohnbevölkerung. Dieser spiegelt die Aufteilung der Gesamtmobilität auf die unterschiedlichen Verkehrsarten wieder. Die Wege zu Fuß, mit dem Fahrrad und den öffentlichen Verkehrsmitteln werden für die Modal Split Ziele der Gesamtmobilität als Umweltverbund zusammengefasst, da im Jahresverlauf Wetter-bedingte Verlagerungen zwischen den Verkehrsarten des Umweltverbundes auftreten.
Für Graz wurde für das Jahr 2040 ein Modal Split von 80% Umweltverbund und 20% motorisierter Individualverkehr festgelegt. Die Erhöhung des Modal-Split Anteils im Umweltverbund ergibt sich unter anderem aus Kriterien wie Flächenverbrauch, Verkehrssicherheit und Mikroklima und dient auch der Einhaltung der Klimaschutzziele gemäß des Grazer Klimaschutzplanes. Ebenso wurde für den stadtgrenzüberschreitenden Verkehr ein Ziel-Wert für das Jahr 2040 festgelegt, der ebenso wie Jener der Grazer Wohnbevölkerung sehr ambitioniert ist.
Der Modal Split der Grazer Wohnbevölkerung, sowie der Modal Split des stadtgrenzenüberschreitenden Verkehrs für das Jahr 2040 kann den folgenden Grafiken entnommen werden:
Der Mobilitätsplan Graz 2040 verfügt über ein mehrstufiges, hierarchisches Zielgerüst, welches die Grundlage für die Handlungsfelder der Mobilität und in weiterer Folge für das Maßnahmenprogramm bildet. Die Ziele und Maßnahmen wurden auch mit anderen städtischen und regionalen Strategien abgestimmt. Die nachfolgende Abbildung zeigt das Zielgerüst des MP2040:
2. Entwicklung der Grazer Mobilität
Wie viele andere Städte, wurde auch Graz in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dem Autoverkehr gerecht gemacht. Durchzugsstraßen wurden quer durch die Stadt angelegt, Fuß- und Radverkehr wurden zugunsten fahrender und parkender Autos verdrängt. Die 1972 in der Herrengasse eingerichtete Fußgängerzone bedeutete erstmals einen Bruch mit dieser Entwicklung. Auch damals gab es Gegenwind für diese Veränderung, heute sind Hauptplatz und Herrengasse - so ganz ohne Autos - ein liebgewonnener und fester Bestandteil von Graz.
Seither kam es zu Ausweitungen der Fußgängerzone, zur Anlage neuer Geh- und Radwege und die Stadt wurde da und dort (wieder) begrünt. Der Modal-Split der Grazer Wohnbevölkerung, die Verteilung des Wegeaufkommens auf die einzelnen Verkehrsmittel, zeigt nach einer jahrzehntelangen Talfahrt allmählich wieder einen Zuwachs bei den umweltfreundlichen Verkehrsmitteln an.
Bei kritischer Betrachtung wird aber klar: Da geht noch mehr. Die Ziele des Mobilitätskonzepts 2020 wurden größtenteils nicht erreicht, die Mobilität in Graz wird nach wie vor stark vom Autoverkehr geprägt und verursacht Lärm, Luftverschmutzung und Unfälle. Für viele Menschen ist gerade das Radfahren noch immer nicht möglich, weil sie sich auf ihren täglichen Wegen dabei nicht ausreichend sicher fühlen.
Graz hat durchaus schon den Weg in Richtung einer nachhaltigen Transformation seiner Mobilität eingeschlagen, jedoch müssen Ausmaß und Tempo deutlich erhöht werden. Der Mobilitätsplan Graz 2040 beschäftigt sich kritisch mit der Vergangenheit und zieht Schlüsse aus den Erfolgen, aber auch aus den Maßnahmen, Projekten und Prozessen mit Verbesserungspotenzial.
Hier gelangen Sie zum Kapitel „Entwicklung der Grazer Mobilität" des MP2040
3. Herausforderungen, Trends und Rahmenbedingungen
Die Coronakrise, aber auch die steigenden Treibstoffpreise haben gezeigt, wie schnell sich Mobilitätsgewohnheiten wandeln können. Gerade die Arbeitswege haben sich durch Homeoffice und Flexibilisierung der Arbeitszeit deutlich verändert. Weiters gibt es anhaltende Trends zur Mikro-, Sharing- und E-Mobilität. Kombiniert mit den für Graz spezifischen Herausforderungen der beschränkten städtischen Verkehrsflächen, dem Gebot zur Reinhaltung der Luft und dem starken Bevölkerungswachstum gilt es, maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln.
Der Mobilitätsplan Graz 2040 ist eine Aktualisierung der Mobilitätsstrategie 2020 und ist auf den Zeithorizont 2040 ausgelegt. Bei der Erstellung dieses Plans waren vor allem folgende Rahmenbedingungen zentral:
Hier gelangen Sie zum vollständigen Kapitel „Herausforderungen & Trends" des MP2040
Der Gemeinderat hat am 21. September 2023 folgende Meilensteine des MP 2040 beschlossen:
- Ziele und Zukunftsbilder
- Entwicklung der Mobilität in Graz
- Herausforderungen und Trends
4. Handlungsfelder und Maßnahmen
Methodik und Prozess für die Erstellung der Maßnahmen
Die in der Analyse erkannten Herausforderungen bilden sich in den gesetzten Zielen ab, welche wiederum in den Maßnahmen fortgeschrieben werden. Als Brückenschlag zwischen den Kapiteln wurden daher bereits bei den Zielen entsprechende Handlungsfelder erarbeitet, die nun als Maßnahmen ausformuliert werden. Basis der Maßnahmenüberlegungen war unter anderem auch die Evaluierung des Mobilitätskonzeptes 2020 und die Frage, welche der aus diesem Konzept nicht umgesetzten Maßnahmen fortgeschrieben werden sollen.
Ein weiteres wesentliches Element zur Maßnahmenerstellung war auch der mehrstufige Beteiligungsprozess. Im Austausch mit Stakeholdern aus Wirtschaft, Bildung, Tourismus, Verwaltung und Interessensvertretungen wurden unterschiedlichste Blickwinkel eingeholt und in das Gesamtbild des MP2040 eingearbeitet. Im Austausch mit den Bezirksvertretungen konnte viel lokales Wissen abgeholt werden, wodurch es auch möglich wurde, den für die Bezirke besonders wichtigen Projekten eine starke Rolle zu bieten.
Die Maßnahmen des MP2040 gehen auf die räumliche Bedeutung verschiedener Maßnahmen ein. Es erfolgt eine Gliederung in drei Ebenen:
- Die strategischen Maßnahmen als erster Baustein der städtischen Ebene befassen sich mit den prinzipiellen, hochwirksamen und stadtweit anwendbaren Maßnahmen. In der Toolbox des MP2040 stehen sie daher an oberster Stelle und geben den Rahmen für die weiteren, detaillierten Maßnahmen innerhalb des MP2040 oder in den sektoralen Überlegungen vor. Sie tragen maßgeblich zur Erreichung des Ziel-Modal Splits bei, sowohl für die Mobilität der Grazerinnen und Grazer, als auch im Stadt-Umland-Verkehr.
- Die zweite Ebene stellen konkrete Maßnahmen mit stadtweiter Bedeutung Die hier aufgeführten Themen beziehen sich auf konkret verortete Projekte, die jedoch eine großräumige Wirkung erzielen, Kernprojekte aus den sektoralen Konzepten, sowie die Inputs aus den Bezirken.
- Die sektorale Ebene bildet das abschließende Bindeglied zu den sektoralen Konzepten sowie zu spezifischen Überlegungen und Themen. Darunter fallen die zahlreichen Einzelmaßnahmen der Masterpläne für den Fuß-, Rad- und öffentlichen Verkehr sowie Einzelmaßnahmen, die aufbauend auf die gesetzten Ziele in den Bereichen Mobilitätsmanagement, Mobilität für alle, Dekarbonisierung und City-Logistik erforderlich sind. Der MP2040 behandelt diese Bereiche überblicksmäßig, die Spezifizierung und Umsetzung erfolgt aber über andere Instrumente.
Wirkungsanalyse
Im Sinne eines Backcasting-Ansatzes wurde überprüft, ob die ambitionierten Ziele des MP 2040 mit den vorgeschlagenen Maßnahmen erreicht werden können.
Parallel zur Maßnahmenentwicklung wurde daher eine Wirkungsanalyse mit Hilfe des Grazer Verkehrsmodells durchgeführt. Es zeigt sich, dass der Modal Split-Zielwert von 80 % für den Umweltverbund und 20 % für den motorisierten Individualverkehr erreichbar ist.
Dafür ist eine konsequente Umsetzung aller im MP 2040 enthaltenen Maßnahmen erforderlich. Das bedarf eine konsequenten Mobilitätspolitik auf städtischer und Bezirksebene, ausreichend Ressourcen für die Verwaltung und nicht zuletzt die aktive Mitwirkung aller Grazer:innen und Grazer.
Maßnahmen und Handlungsfelder
Die Stadt der kurzen Wege
Viele Grazer:innen legen bereits jetzt ihre Wege zu Fuß und mit dem Fahrrad zurück, bis 5 km hat die Aktive Mobilität die größten Anteile.
Noch immer wird trotzdem ein Drittel der Wege, die kürzer als 3 km sind, mit dem Auto zurückgelegt. Darin liegt ein großes Verlagerungspotential. Mit den Maßnahmen der Masterpläne Gehen und Radoffensive soll der Anteil der Fuß- und Radwege bis zum Jahr 2040 spürbar ansteigen.
Die geplanten Maßnahmen und angestrebten Qualitäten sind in den jeweiligen Masterplänen im Detail angeführt.
Flächenhafte Verkehrsberuhigung
Einen wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der Qualität des Fuß- und Radverkehrs werden großflächige, verkehrsberuhigte Bereiche leisten, die nach dem Prinzip der Superblocks funktionieren.
Ziel und Quellverkehr ist für Kfz gut möglich, jedoch kein Durchfahren. Die verkehrsberuhigten Bereiche befinden sich in der Innenstadt und in weiter außerhalb gelegenen Stadtteilen und sind Schritt für Schritt zu entwickeln.
Prinzipien verkehrsberuhigter Bereiche
Innerhalb der verkehrsberuhigten Bereiche wird der Kfz-Ziel- und Quellverkehr mit unterschiedlichen Maßnahmen gelenkt, wie zum Beispiel mit Einbahnen, Diagonalfiltern und Sackgassen für Kfz. Ein Durchfahren für Kfz soll nicht möglich sein bzw.
Wichtig ist zudem eine möglichst attraktive Straßengestaltung. Es gilt grundsätzlich Tempo 30, wobei es auch Wohnstraßen, Schulstraßen oder Begegnungszonen geben wird mit geringeren Geschwindigkeiten.
Damit werden im Stadtgebiet großflächig attraktive und verkehrsberuhigte Bereiche geschaffen.
Klimafitte, lebenswerte Hauptstraßen
Im urbanen Bereich haben Haupt-traßen neben der Verkehrsfunktion eine wichtige Bedeutung als Lebensräume. Aufgrund vielfältiger Nutzungen sind hier neben allen funktionalen Anforderungen hohe Qualitäten der Straßenraum-gestaltung und Aufenthaltsqualität erforderlich.
Mit den Priorisierungen für den Umweltverbund gehen Verminderungen der Kfz-Leistungsfähigkeit einher. Das Geschwindigkeitsniveau soll in sensiblen Bereichen gesenkt werden, wobei immer auf eine gute Qualität des öffentlichen Verkehrs zu achten ist.
Die künftigen Veränderungen der Verkehrsmittelwahl ermöglichen eine stärkere Bündelung des Kfz-Verkehrs auf den Hauptstraßen bei gleichzeitiger Erhöhung der Qualität für den Umweltverbund.
Das Straßennetz der Zukunft
Zur Erreichung der festgelegten Klima- und Mobilitätsziele und Qualitäten bedarf es einer Anpassung des Kfz-Verkehrsnetzes.
Zur Umsetzung der verkehrsberuhigten Bereiche erfolgt insbesondere im innerstädtischen Bereich eine stärkere Bündelung des Kfz-Verkehrs durch Herausnahme einiger Straßen aus dem Vorrangstraßennetz.
Ein Teil dieser Straßen wird als sogenannte Umweltverbundachsen definiert, womit ein zügigiges Vorankommen für den öffentlichen Verkehr bei gleichzeitig hoher Qualität für den Fuß- und Radverkehr sichergestellt wird.
Der ÖV als Rückgrat im stadtgrenzüberschreitenden Verkehr
Im stadtgrenzüberschreitenden Verkehr und auf längeren innerstädtischen Wegen ist der öffentliche Verkehr von höchster Bedeutung.
Die Kernprojekte der ÖV-Strategie bzw. des Masterplan ÖV wie S-Bahn-tunnel, Straßenbahn-Netz-erweiterungen (z. B. Südwestlinie), Kapazitätserhöhungen im Bahnverkehr sind hier Schlüsselprojekte für eine nachhaltige Mobilität im Jahr 2040 und darüber hinaus.
Der Straßenbahn- und Linienbusverkehr ist dabei so zu priorisieren, dass es für Pendler:innen einladender wird, vom eigenen Pkw auf den ÖV umzusteigen. Park & Ride - vor allem im Umland - ist dabei eine wichtige Ergänzung.
Parkraummanagement
Die geplanten Maßnahmen für den Fuß-, Rad und öffentlichen Verkehr bedürfen einer Umverteilung des öffentlichen Raumes und werden das Stellplatzangebot für Pkw insgesamt verringern. Ein Parkraummanagement ist daher eine wichtige Steuerungsmöglichkeit, insbesondere für Bewohner:innen und den Wirtschaftsverkehr.
Mittelfristig wird eine Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung auf das gesamte Stadtgebiet erfolgen. Mit Anrainerparkbereichen und einem Ladezonenmanagement wird das Angebot bedarfsgerecht gesteuert.
Weitere Handlungsfelder
Die Handlungsfelder City-Logistik, Mobilitätsmanagement, Sharing-Angebote und Elektromobilität sowie Bewusstseinsbildung und Kooperation sind wichtige Bereiche für eine zukunftsfitte und klimaneutrale Mobilität der Stadt Graz.
In diesen Bereichen ist die Stadt Graz zum Teil bereits sehr gut aufgestellt. Darauf aufbauend werden zusätzliche Maßnahmen ergänzt bzw. erfolgreiche bestehende Maßnahmen weitergeführt und - wo erforderlich - angepasst.
Die Maßnahmenvorschläge wurden beim Mobilitätsdialog am 11. Juni erstmals der breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Anschließend gab es in einer offenen Online-Umfrage vom 28. Juni bis 29. Juli 2024 die Möglichkeit, Rückmeldungen zum Maßnahmenprogramm zu geben.
Derzeit erfolgen die finalen Abstimmungen des Maßnahmenprogramms, die in weiterer Folge dem Grazer Gemeinderat zur Beschlussfassung vorgelegt werden.