Alte Kanzlei
Das erste Grazer Rathaus, die so genannte „alte Kanzlei“, wurde um das Jahr 1450 in der Judengasse errichtet. Es erwies sich als zu klein, und so wurde an der heutigen Stelle um das Jahr 1550 ein neues Rathaus im Renaissancestil gebaut. Es war, der wirtschaftlichen Lage der Stadt während der Bauzeit entsprechend, einfach und schmucklos und wies nur an den Ecken Verzierungen mit Quadersteinen auf. Die großen Fenster der beiden unteren Geschosse waren vergittert. Das Rathaus war auch Sitz der Hauptwache („Hauptwachplatz“) und im dritten Stock war das Gefängnis untergebracht – dessen Fenster waren zwar nicht vergittert, aber sehr klein. Oberhalb des Eingangsportals sprang eine auf Säulen ruhende Loggia vor, das Dach wurde von einem Dachreiter mit Laterne überhöht. Hier war seit dem Jahr 1609 auch die von drei Seiten sichtbare Rathausuhr zu sehen. Rechts vom Eingang fand sich frontseitig ein Arkadengang, die so genannten „Rathauslauben“, in denen Händler in Kaufläden ihre Waren feilbieten konnten.
Neubau
Im Jahr 1803 wurde das alte Rathaus dem Erdboden gleichgemacht und in den Jahren 1805 bis 1807 nach den Plänen von Christoph Stadler neu errichtet. Die 150.000 Gulden, die der Neubau kostete, wurden übrigens durch eine eigens hierfür eingeführte Weinsteuer aufgebracht. Der in klassizistischem Stil gehaltene Neubau traf allerdings nicht ganz den Geschmack der Bevölkerung und sorgte für Unmut bei den Grazerinnen und Grazern.
Erweiterung des Rathauses
1869 wurde mit der Erweiterung des Rathauses begonnen, 1887 erfolgte die Grundsteinlegung für die neuen Teile des Rathauses. Nach den Plänen der Architekten Alexander Wielemans und Theodor Reuter wurde der klassizistische Altbau vom Anfang des 19. Jahrhunderts verwendet und in das Erdgeschoss sowie in das erste Stockwerk des Ost- und Nordflügels miteinbezogen. Die große Rathauskuppel entstand. Für die Expansion waren übrigens mehrere angrenzende Gebäude zugekauft worden, doch da sich die Eigentümer der Häuser Herrengasse 4, 6 und 8 gegen den notwendigen Abriss zur Wehr setzten, blieb der geplante Blockbau unausgeführt. Diese Tatsache kommt bei der Besichtigung des Innenhofes deutlich zum Ausdruck: Die stehen gebliebenen Häuser schieben sich weit in die Tiefe des Rathausgevierts und stören das Gesamtkonzept des Baus.
Das Rathaus heute
Heute stellt sich das Rathaus als stattlicher, viergeschossiger Baukörper mit einer Fassade in späthistoristisch-altdeutscher Stilform dar. Der Südtrakt des Gebäudes ist mit dem Jahr 1889, der Haupttrakt mit 1893 datiert. Die Schauseite verfügt über einen kuppelbekrönten Mittelrisaliten, einem auf ganzer Höhe hervorspringenden Gebäudeteil zur Gliederung der Fassade, und Ecktürmchen. Die Fassade wurde reich verziert, unter anderem mit einer Reihe von Nischenfiguren, die bedeutende Österreicher (etwa Habsburger-Kaiser) bzw. die vier großen Allegorien „Die Kunst“, „Die Wissenschaft“, „Der Handel“ und „Das Gewerbe“ darstellten.
Fassadengestaltung
1922 wurde die Fassadengestaltung in den oberen beiden Geschossen vereinfacht; 1957 wurde das ehemals reiche bauplastische Figurenprogramm, gestaltet von den Künstlern Hans Brandstetter, Karl Lacher, Karl Peckary, Emanuel Pendl und Rudolf Vital, größtenteils entfernt; der Verbleib der kulturhistorisch interessanten Kunstwerke ist unbekannt. Erhalten haben sich an der Westfassade über dem dortigen Portal zwei Sandsteinfiguren (Landsknechte) aus der Hand Hans Brandstetters (1892) und eine Sandsteinbüste aus der Hand Karl Lachers.
1966 bis 1967 wurde die Außenfassade des Rathauses saniert. Bei einer Volksbefragung sprachen sich die Grazerinnen und Grazer dafür aus, das Rathaus in seiner altvertrauten Form zu erhalten, anstatt es auf die klassizistischen Formen zurückzuführen.
Die letzte Innen- und Außensanierung des Rathauses erfolgte in den Jahren 1999 und 2000, mehr als 4,5 Millionen Euro wurden von der Stadt Graz investiert.
Seit dem Jahr 2001 werden übrigens die entfernten Fassadenfiguren wieder nachgebaut – „Die Kunst“, „Die Wissenschaft“, „Das Gewerbe“ und „Der Handel“ haben ihren angestammten Platz wieder eingenommen.
Inneneinrichtung
Bei der Inneneinrichtung sind mehrere Objekte und Kunstwerke erwähnenswert. So finden sich links vom Hauptportal eine Secco-Malerei Adolf Osteriders aus dem Jahr 1971, das Grazer Rathaus im Wandel der Zeit darstellend, im Stiegenhaus eine Gedenktafel mit Bronzerelief für Vinzenz Muchitsch aus der Hand Wilhelm Gössers. Im ersten Obergeschoss ist ein steirischer Panther in Messingarbeit von Hans Mauracher (1955). Schön sind auch die Kassettendecken und ein bemerkenswerter Kachelofen in altdeutscher Stilform im zweiten Geschoss des Ost- und Nordflügels. Auch der Gemeinderatssitzungssaal ist mit einer aufwendigen, noblen Kassettendecke aus der Zeit der Erbauung ausgestaltet. Im Gang des Haupttraktes finden sich eine Secco-Malerei von J. Haring und zahlreiche Bürgermeisterporträts, darunter solche aus der Hand der Maler Sergius Pauser und Leo Scheu. Im letzten Stiegenhausgeschoss des Südflügels schließlich entstand im Jahr 1980, gestaltet von Paul Scholz, das monumentale Secco-Wandbild „Graz 1635“ (nach Matthäus Merian).