1644–1709
Der Gastwirtssohn Abraham a Santa Clara (auch: Abraham a Sancta Clara, Hans Ulrich Megerle) studierte nach der Absolvierung der Lateinschule in Meßkirch ab 1656 am Jesuitenkolleg in Ingolstadt (vgl. REISMANN/MITTERMÜLLER 2003, S. 5) und ab 1659 „bei den Benediktinern in Salzburg" (ebd.).
„1662 trat er über Empfehlung des päpstlichen Nuntius Kardinal Caraffa in Mariabrunn bei Wien in den Augustiner-Eremitenorden ein (Ordensname Abraham a Sancta Clara). 1666 (nach anderen Angaben 1668) erhielt er die Priesterweihe; vom Orden zum Prediger bestimmt, kehrte er nach zweijährigem Zwischenspiel in Taxa bei Augsburg 1672 nach Wien zurück, um hier eine rege Tätigkeit als Sonn- und Festtagsprediger zu entfalten. 1677 zum kaiserlichen Hofprediger ernannt, wählte ihn der Orden 1680 zum Prior. Es folgten einige Jahre in Graz, wo er das Türkenjahr 1683 verbrachte, um den Aufbau eines Klosters seines Ordens im Münzgraben (Augustiner-Barfüßer) bemüht war und als (Sonntags- und Volks-) Prediger wirkte (angeblich ab 1682 Prior); Predigten Abrahams in Graz datieren mit 1687, 1688 hielt er hier seine ‚Teufelspredigt‘. Bereits 1684 wieder in Wien, reiste er 1686, 1689 und 1692 in Ordenssachen nach Rom; es folgten verschiedene Ämter in seinem Orden: Leiter der deutsch-böhmischen Ordensprovinz (1689), Subprior von Mariabrunn, Prokurator und Definitor provinciae (1695). Gleichwohl ein Theologe von Rang, gilt Abraham a Sancta Clara als Meister der Rhetorik und Mimik. Wie alle großen Schriftsteller des Barock beherrschte er die hohe Kunst des Fabulierens, untermauert durch eine souveräne Kenntnis der Heiligen Schrift, der Historie, Legenden-, Fabel- und Schwankliteratur: Seine originelle Fähigkeit, mit weit hergeholten Einfällen und Wortspielen sowie unerwarteten geistlichen Applikationen die Zuhörer in ständiger belustigter Aufmerksamkeit zu erhalten, ging einher mit einer unvergleichlichen Derbheit seiner Sprache, mit der er das Gewissen seiner Zuhörer wachzurütteln suchte" (ebd.). Seiner Ansicht nach sollte durch diesen Witz und diese Derbheit eine moralische Entwicklung in seinen Zuhörer/innen angeregt werden." (vgl. HAWLA 2001, S. 17)
A Santa Claras Werk wird einerseits dafür gelobt, dass es den Zeitgeist, die Sorgen der damaligen Bevölkerung sowie gesamtgesellschaftliche Probleme und Ereignisse (Pest, Türkeneinfälle) widerspiegelt und für die Nachwelt festhält (vgl. REISMANN/MITTERMÜLLER 2003, S. 5). Auf der anderen Seite wird die Person des Predigers sowie dessen Werk vor allem für die von ihm propagierten Feindbilder stark kritisiert (vgl. KANN 1960, S. 80; PAPE 2009, S.2). Unter anderem verbreitete er in seinen Predigten die Stereotype des „Jüdischen Brunnenvergifters" sowie des „Seuchenverursachers" (vgl. AUTENGRUBER 2014, S. 19). In seinem Hauptwerk „Judas der Ertz-Schelm" (vgl. HAWLA 2001, S. 17) bezeichnet er Juden als „gottlos, ehrlos, gewissenlos, heillos, tugendlos, treulos, vernunftlos, neidig, lasterhaft, unehrlich, sündhaft und als Abschaum." (PAPE 2009, S. 2) Für den Pestausbruch in Wien machte er ebenfalls Juden sowie Hexen verantwortlich, wobei er ersteren auch die Schuld an den Türkeneinfällen gab (vgl. PAPE 2009, S. 2). Das Judentum stellt für a Santa Clara einen „inneren Feind" dar, wobei er in den diesbezüglichen Ausführungen auf bereits vorherrschende Stereotype und Vorurteile gegen Juden zurückgreift (vgl. KANN 1960, S. 76-78).
Neben den Juden lassen sich im Werk von a Santa Clara noch zwei weitere propagierte Feindbilder identifizieren: die Türken und die Protestanten, welche er als „Häretiker" diffamierte. Die Türken waren für ihn aufgrund ihres falschen Glaubens („antichristlich") verachtenswert, wobei er trotz diesem harschen Urteil anmerkte, dass deren Hingabe zu ihrem Glauben ebenso wie ihre militärische Disziplin, ihre Armenfürsorge sowie ihr Rechtswesen
vorbildlich wären (vgl. KANN 1960, S. 75).
A Santa Clara publizierte auch frauenfeindliche Schriften (z.B. „Gehab dich wohl") (vgl. KANN 1960, S. 80). Sein Frauenbild wird von Kann (1960, S. 81f) folgendermaßen zusammengefasst: „Rather he was firmly convinced that women are inferior in every respect, above all morally, [...]. First and last, woman means to him the object of sinful masculine desire, the instrument of hellish temptation". Allerdings bewegt sich a Santa Clara mit diesen Urteilen ganz im Zeitgeist der damaligen katholischen Tradition (vgl. ebd.).
Die Nationalsozialistische Propaganda bediente sich vielseitig am Werk von a Santa Clara, wobei vor allem das schon von im tradierte Bild des Brunnenvergifters oder die Notion des „Erz-Schelms" aufgegriffen wurde (vgl. PAPE 2009, S. 2).
Literatur:
AUTENGRUBER Peter, Geistliche. In: AUTENGRUBER Peter/NEMEC Birgit/RATHKOLB
Oliver/WENNINGER Florian (Hg.), Umstrittene Wiener Straßennamen. Ein kritisches
Lesebuch. Wien-Graz-Klagenfurt 2014, S. 18-25.
HAWLA Franz, Was wäre Wien ohne ... Von zugewanderten echten Wienerinnen und
Wienern. Wien 2001.
KANN Robert A., A study in Austrian intellectual history. From late Baroque to Romanticism.
New York 1960.
PAPE Christian, Abraham a Sancta Clara. In: BENZ Wolfgang (Hg.), Handbuch des
Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Band 2/1 Personen A-K.
Berlin 2009, S. 2f.
REISMANN Bernhard A./MITTERMÜLLER Franz, Stadtlexikon (= Geschichte der Stadt
Graz 4). Graz 2003.
(textierter Endbericht der ExpertInnenkommission für Straßennamen vom 24.11.2017)