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Konstituierende Sitzung, Teil 2

Wahl des Bürgermeisters

13.03.2008
Erste Amtshandlung der frisch angelobten GemeinderätInnen war die Wahl des Bürgermeisters. Das Prozedere wurde von Vorsitzender Gerda Gesek genau erläutert, das Team des Präsidialamtes unter Vorständin Dr. Ursula Hammerl teilte an die GemeinderätInnen die Stimmzettel aus. Der Klubvorsitzende der mandatsstärksten Partei ÖVP, Hofrat Dr. Peter Piffl-Percevic, brachte den schriftlichen Wahlvorschlag ein, Mag. Siegfried Nagl zum Bürgermeister zu wählen, und begründete diesen Vorschlag mündlich. Piffl-Percevic gab einen Rückblick auf die Koalitionsverhandlungen und stellte aus seiner Sicht dar, warum die ÖVP nicht mit der zweitstärksten Partei SPÖ, sondern mit den Grünen, eine Arbeitsübereinkunft geschlossen habe. Trotz der Schwarz-Grünen Koalition werde die ÖVP auch in dieser Gemeinderatsperiode allen Fraktionen die Hand reichen, diskutieren und möglichst gemeinsam abstimmen. Der Klubobmann erläuterte, weshalb die ÖVP die Wahl der Grünen Lisa Rücker unterstütze: Der/die Vizebürgermeisterin vertrete laut Statut den Bürgermeister in allen Agenden, weshalb es nur logisch und konsequent sei, diese Aufgabe dem Koalitionspartner zuzuerkennen.

Riedler: „Nagl hat unser Vertrauen verloren“

Da das Statut der Landeshauptstadt Graz zum Wahlvorschlag eine Wechselrede bzw. den anderen Parteien einen Kommentar ermöglicht, ergriff der designierte Stadtrat Dr. Wolfgang Riedler das Wort. Riedler erinnerte daran, dass das Arbeitsübereinkommen von ÖVP und SPÖ die Stadt Graz während der letzten fünf Jahre geprägt und gestaltet habe. Bürgermeister Nagl habe aber das Vertrauen der Sozialdemokraten, das in dieser Zeit aufgebaut wurde, aufgrund der Art und Weise, wie die ÖVP gleichzeitig Koalitionsverhandlungen mit SPÖ und Grünen geführt habe, verspielt. Die Grazer SPÖ habe nie die Türe zugeschlagen, so Riedler, und obwohl er den Umgang der ÖVP mit seiner Fraktion als arrogant bezeichnete, seien sie auch in dieser GR-Periode bereit, Vereinbarungen zu treffen und einzuhalten. „Die SPÖ zollt dem Amt des Bürgermeisters Respekt. Den Respekt, den die Person Nagl für die Ausübung des Amtes braucht, müsse er sich aber wieder erwerben. Deshalb“, führte Riedler weiter aus, „ist es der SPÖ nicht möglich, Nagl zum Bürgermeister zu wählen.“

Binder: „Gestalten, verändern, auch kontrollieren“

Grün-Klubobfrau Sigrid Binder begann ihre Rede mit einer Schilderung des beklemmenden Gefühls, das sie heute beim Betreten des bestens bewachten Rathauses hatte. „Es war traurig, gespenstisch. Ich wünsche mir eine Zeit, wo wieder Offenheit Einzug in das Rathaus hält, diese Qualität ist weg. Geschichte wiederholt sich nicht, aber die Fehler, die gemacht werden.“ Und an die GemeinderätInnen von FPÖ und BZÖ gewandt: „Wenn Sie hier sitzen, die Sie für diese Situation verantwortlich sind, dann weiß ich nicht, was sie dazulernen werden, um diese Demokratie zu stärken. Wenn Sie diese Politik weiterfahren, wird Ihnen in diesem Gemeinderat ein scharfer Wind entgegenwehen.“

Die Koalitionsverhandlungen kommentierte Binder: „Wir sind auf eine Partei getroffen, die neugierig und offen auf uns zugegangen ist. Wir haben ein sehr gutes Programm zustande gebracht, der Koalitionsvertrag kann sich sehen lassen. Die Grünen haben keine Prinzipien verraten, sondern sehr viele Weichenstellungen für Paradigmenwechsel in wichtigen Bereichen vorgenommen.“ Binder dankte, wie auch Piffl-Percevic vor ihr, der KPÖ und Stadträtin Elke Kahr für die wertvollen inhaltlichen Gespräche und Ergänzungen für den Wohnungsbereich. „Wir werden gestalten, verändern, auch kontrollieren“, schloss Binder.

Kahr: „Keine Privatisierung der Gemeindewohnungen“

Vorsitzende Gerda Gesek übergab das Wort an KP-Stadträtin Elke Kahr. Die KPÖ werde ihren eingeschlagenen Weg als Interessensvertretung der sozial Schwachen, der Mieterinnen und Mieter und arbeitenden Menschen weiter fortsetzen und deren Anliegen in Stadtsenat und im Gemeinderat bestmöglich vertreten, bekräftigte Kahr. Von all diesen Vorgaben habe sich die KPÖ bei den Gesprächen mit Schwarz-Grün leiten lassen. „Für die nächsten fünf Jahre haben wir festgeschrieben, dass es keine Privatisierung oder Ausgliederung der Gemeindewohnungen, aber eine Fortsetzung des Wohnungssanierungsprogrammes geben wird. Außerdem werden VP und Grüne neue Grundstücke für den Bau von Gemeindewohnungen bereit stellen.“ Mit der Unterschrift unter das Kapitel Wohnen des schwarz-grünen Koalitionsvertrages habe die KPÖ aber nicht der Koalition insgesamt zugestimmt, unterstrich die Stadträtin. „Deshalb werden wir weder dem Vorschlag für den Bürgermeister noch für die Vizebürgermeisterin zustimmen, sondern aus demokratiepolitischen Gründen bei der Wahl des/der VizebürgermeisterIn in den ersten beiden Wahlgängen den Kandidaten der zweitstärksten Wahlpartei unterstützen.“ An die FPÖ und BZÖ gewandt, meinte Kahr: „In diesem Wahlkampf wurde der Alltagsrassismus salonfähig gemacht, damit wurde großer Schaden angerichtet. Noch nie hat es eine konstituierende Sitzung unter derartigen Rahmenbedingungen – das Rathaus ist heute praktisch eine Festung – gegeben. Das ist die Konsequenz der FP-Politik.“

Sippel: „Demokratiepolitisch bedenklich“

Für die nun zwei Mal angesprochene FPÖ ging der geschäftsführende Klubobmann Armin Sippel ans Rednerpult: „Die designierte Stadträtin Susanne Winter ist nicht Ihr Liebkind, will es auch nie werden. Ihr Vorgehen, Winter mit einem Mini-Ressort abzuspeisen, ist aber demokratiepolitisch bedenklich, damit stoßen Sie in Ihrem Machtrausch 12.000 WählerInnen vor den Kopf“, wandte er sich an Schwarz-Grün. Sippel kündigte an, dass sich die FP nicht den Mund verbieten lassen werde und zitierte FP-Altbürgermeister DDr. Alexander Götz: „Wenn wir gleich wären wie die anderen, wären wir überflüssig!“ Graz stehe eine realitätsfremde Schönwetterpolitik mit abenteuerlichen Integrationsvorhaben ins Haus, befürchtete der neu angelobte Mandatar. Deshalb werde seine Fraktion Schwarz-Grün nicht zustimmen; die SPÖ sollte den Vizebürgermeister stellen. „Wir werden eine Koalition mit den BürgerInnen eingehen, anpacken und viel Gutes bewegen!“

Grosz: „Einzige Kraft in der Opposition“

Dann gab´s im Gemeinderatssaal eine dreifache Premiere: Erstmals ist das BZÖ im obersten Stadtgremium vertreten (mit zwei Gemeinderäten), erstmals trat Gerald Grosz ans Mikrophon und erstmals bei einer konstituierenden Sitzung musste die Vorsitzende zwei Zur-Sache- und einen Ordnungsruf erteilen. Grosz positionierte seine BZÖ als einzige Kraft in der Opposition, denn der Bürgermeister sei ja eine Koalition mit den anderen fünf Stadtsenats-Parteien eingegangen. Nagl habe einen Großteil seiner Wahlversprechen auf dem Altar einer schnellen Zusammenarbeit geopfert. Das BZÖ aber fühle sich als Hüterin der Versprechen des Bürgermeisters und auch der eigenen Zusagen, damit nehme es einen wesentlichen Auftrag der Demokratie an. „Wir werden keine positive Stimme für Bürgermeister, Vizebürgermeisterin und die Stadtregierung abgeben“, so Grosz.

31 gültige Stimmen für Siegfried Nagl

Nun ging´s endgültig an die Wahl des Bürgermeisters. Vorsitzende Gesek rief die GemeinderätInnen Dagmar Krampl (SPÖ) und Stefan Schneider (Grüne) als Wahlzeugen ein. Franz Lammer vom Bürgermeisteramt sammelte mit der pokalähnlichen Wahlurne, die nur alle fünf Jahre für die konstituierende Sitzung verwendet wird, die Stimmzettel ab. Das Ergebnis: 55 abgegebene Stimmen, davon 24 ungültig, 31 gültig für Mag. Siegfried Nagl, womit der alte auch zum neuen Bürgermeister gewählt war. Nach Applaus der Anwesenden und Standing Ovations der VP-MandatarInnen nahm Nagl die Wahl an und wurde durch Landeshauptmann Mag. Franz Voves angelobt. Magistratsdirektor Mag. Martin Haidvogl verlas die Gelöbnisformel: "Ich gelobe, als Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz die Bundes- und die Landesverfassung, das Statut und die Verordnungen der Stadt sowie die sonstigen Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes Steiermark unverbrüchlich zu beachten, meine Aufgaben unparteiisch und uneigennützig zu erfüllen, die mir obliegende Verschwiegenheitspflicht zu wahren und mit allen mir zu Gebote stehenden Mitteln nach bestem Wissen und Gewissen dafür zu sorgen, dass in der gesamten Stadtverwaltung nach den gesetzlichen Vorschriften vorgegangen und der Stadt kein Schaden zugefügt wird." Nagl replizierte mit den Worten „Ich gelobe, so wahr mir Gott helfe!“ und übernahm von Gerda Gesek wieder den Vorsitz der konstituierenden Sitzung.

„Den Weg mit uns gemeinsam gehen!“

„Graz macht mir Freude – und was einem Freude macht, nimmt man auch ernst. Es ist einfach eine großartige Stadt und ich bin gerne Bürgermeister!“, eröffnete Nagl seine Antrittsrede, die Sie hier im gesamten Wortlaut abrufen können. Nagl betonte: „Ich bin nicht für Scheinlösungen zu haben! Vorrang für alle und alles funktioniert nicht! Man muss sich letztlich entscheiden, was wichtiger ist: Gesundheit oder Bequemlichkeit, Lebensqualität oder Geschwindigkeit, Sicherheit oder Einzelinteressen, Integration oder das populistische Recht des Stärkeren.“ Deshalb werde für Schwarz-Grün in den nächsten fünf Jahren ein Schwerpunkt sein, den Menschen in Graz wieder mehr Platz zu geben, in Form von Grünflächen, Sportanlagen und Freizeiträumen, aber auch durch verstärkte BürgerInnenbeteiligung.

Besonders betonte Nagl, mit aktiver Politik die Zuwanderungsstadt Graz zu prägen: „Respekt und Toleranz stellen die Grundlagen für ein friedliches Zusammenleben dar. Jede Art von Diskriminierung, Rassismus und Menschenhetze wird daher entschieden entgegen getreten!“ Abschließend forderte der Bürgermeister die Anwesenden auf: „Ich ersuche alle, auch wenn manche heute noch skeptisch sind, diesen Weg für die Bürgerinnen und Bürger von Graz mit uns gemeinsam zu gehen!“

Aus dem Gemeinderat


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