Warum hat Alen R. getötet? War er am Tag seiner Tat zurechnungsfähig? Was geht in einem Mann vor, der unschuldige Menschen mit seinem Wagen niedermäht und dabei lacht? Fragen wie diese standen seit Dienstag, den 20. September 2016, im Mittelpunkt eines Geschworenenprozesses am Grazer Landesgericht.
Der 27-jährige Amokfahrer Alen R. hatte während seiner tödlichen Fahrt am 20. Juni 2015 auf einer Länge von 2,5 Kilometern durch Graz drei Menschen getötet und Dutzende Personen vielfach schwer verletzt. Ein Opfer verstarb einige Monate nach der Tat.
Der Prozess
14 Monate später befasste sich der Geschworenenprozess mit der Frage der Zurechnungsfähigkeit von Alen R. Die Grundlage für die Entscheidung dazu lieferte der Sachverständige Jürgen Müller, der bei Alen R. paranoide Schizophrenie diagnostizierte und die Zurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt ausschloss.
Das verheerende Ausmaß der Amokfahrt wurde vielen nochmals besonders bewusst, als Richter Andreas Rom nach acht Verhandlungstagen die Namen und Verletzungen der 108 Opfer vorlas. Bei der über 200 Seiten dicken Auflistung, deren Verlesung 115 Minuten dauerte, wurde an jedes einzelnen Delikt die immer gleiche Zusatzfrage gestellt:
"Hat Alen R. diese Tat unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, paranoid halluzinatorische Schizophrenie beziehungsweise wahnhafte Störung, begangen, indem er wegen einer Geisteskrankheit, wegen Schwachsinns, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen einer anderen schweren, einem dieser Zustände ähnelnden Störung unfähig war, das Unrecht dieser Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, begangen?"
Die Antwort darauf gaben die acht Geschworenen nach zweistündiger Beratung einstimmig: Alen R. war zu seiner Tat zurechnungsfähig und wurde daher in allen Punkten schuldig gesprochen.
Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt und zusätzlich wurde eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verfügt. Seine Verteidigerin Liane Hirschbrich kündigte eine Nichtigkeitsbeschwerde an, wodurch das Urteil nicht rechtskräftig ist.
"Behutsam abschließen"
Unter den zahlreichen Opfern und Zeugen der Amokfahrt, die während des Prozesses aussagten, befand sich auch der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl. Er war ein unmittelbarer Zeuge der Amokfahrt gewesen und fand nach dem Schuldspruch aufbauende Worte: "Die Wunden der Opfer und ihrer Angehörigen werden wohl nie ganz heilen, aber wir als Stadt können nun, da der Gerechtigkeit Genüge getan wurde und der Mörder sich seiner Verantwortung stellen muss, endlich beginnen, behutsam mit diesem tragischen Erlebnis abzuschließen."
Spendenkonto der Stadt Graz
Am 22. Juni 2015, nur zwei Tage nach der Amokfahrt, richtete die Stadt Graz einen Hilfsfonds für die Opfer der Amokfahrt in Graz ein. Ziel dieses Spendenkontos war und ist es, jene Folgekosten der Opfer unbürokratisch zu übernehmen, die durch die Haftpflichtversicherung des Täters nicht gedeckt waren. Dazu zählen insbesondere Selbstbehalte für Therapien und Reha-Kosten sowie psychologische Betreuung. Mehr als 105.000 Euro gingen insgesamt an Spendengeldern ein. Bis September 2016 konnte dadurch rund 65 Personen mit mehr als 67.000 Euro rasch geholfen werden.
Die Spendengelder wurden durch die Universitätsrektorinnen Christa Neuper und Elisabeth Freismuth, Magistratsdirektor Martin Haidvogl sowie Ex-Sozialamtsleiter Gernot Wippel verwaltet. Ein wachsames Auge auf die Spendenvergabe ist durch Stadtrechnungshofdirektor Hans-Georg Windhaber gewährleistet.
Wenn Sie spenden möchten:
Steiermärkische Bank und Sparkassen AG - Stadt Graz
Hilfsfonds für die Opfer der Amokfahrt in Graz
IBAN: AT46 2081 5000 4056 7521
BIC: STSPAT2GXXX
Kontakt:
Stadt Graz, Magistratsdirektion, Hauptplatz 1, 8011 Graz
Tel.: +43 316 872-2200
E-Mail: magistratsdirektion@stadt.graz.at