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"Augen offen halten"

Integrationsstadtrat Kurt Hohensinner zu Radikalisierung von jungen Muslimen

26.10.2016

In der vergangenen Woche sorgte eine Jugendstudie aus der Stadt Wien für Aufregung: 27 Prozent der muslimischen Befragten seien für Radikalisierung latent gefährdet. Der Grazer Integrationsstadtrat Kurt Hohensinner plädiert für ein differenziertes Bild: Prävention und Perspektiven bieten, aber vor allem klare Spielregeln für das Zusammenleben.

Hintergrund: Im Rahmen der Wiener Studie wurden in 30 Einrichtungen der städtischen Jugendarbeit insgesamt 401 Teenager im Alter von 14 bis 17 Jahren interviewt. 85 Prozent der jungen Menschen haben Migrationshintergrund. 53 Prozent waren muslimisch, 36 Prozent christlich. Die Jugendlichen aus Zuwandererfamilien waren stark der Tradition ihrer Eltern verbunden. Vor allem die Muslime waren zudem religiöser als Nicht-Muslime. Allerdings handle es sich dabei häufig um ein Element, das die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft zeigen soll, weniger um Spiritualität. Signifikant auffällig waren Jugendliche muslimischen Glaubens, wenn es um Abwertungstendenzen geht. Die befragten Muslime neigten eher zu Rassismus, Homophobie oder Antisemitismus. Vor allem Antisemitismus wurde bei fast der Hälfte der Muslime geortet. Besonders alarmierend waren die Ergebnisse betreffend Radikalisierungsgefährdung: 27 Prozent wurden als latent gefährdet eingestuft, weitere 31 Prozent als ambivalent mit leichter bis mittlerer Gefährdung. Nur 41 Prozent galten als gemäßigt und aufgeschlossen.

Laut dem Grazer Integrationsstadtrat kann man die Wiener Ergebnisse nicht 1:1 auf die steirische Landeshauptstadt umlegen, die Grundtendenz müsse man aber auch in Graz ernst nehmen: „Die Wiener Ergebnisse sind nicht mit Graz vergleichbar. Das ist auch unserer konsequenten Integrationspolitik zu verdanken. Deradikalisierung und Prävention wird an Grazer Schulen seit Jahren großgeschrieben. Auch in anderen Bereichen der Integration geben wir seit Jahren klare Regeln vor. So gibt es in Graz etwa keine Islam-Kindergärten." Manche Aussagen der Studie seien aber auch in Graz spürbar. So berichten Pädagoginnen und Pädagogen aus Grazer Einrichtungen auch immer wieder über stärker ausgeprägten Antisemitismus von muslimischen Jugendlichen. Deshalb wurde schon Wochen vor der Wiener Studie der Startschuss mit der ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus für ein weiterführendes Angebot in diesem Bereich gegeben. Gerade Themen wie der steigende Antisemitismus unter Jugendlichen mit Migrationshintergrund sollen dabei in den Vordergrund rücken.

Nährboden für Radikalisierung entziehen

Grundsätzlich muss man festhalten, dass es sich beim Radikalisierungsphänomen um radikale Gruppierungen handelt und der Großteil der muslimischen Menschen in Österreich nicht dieser Ideologie anhängt, sondern im Gegenteil, oftmals aktiv durch Hinweise auf derartige Tendenzen die Ermittlungsbehörden unterstützt. In Graz und in der Steiermark wird versucht mit weitreichenden Integrationsmaßnahmen proaktiv den Anwerbern den Nährboden für ihre radikale Ideologie zu entziehen.

„Wesentlich für eine gelungene Integration ist natürlich die gemeinsame Sprache, denn nur wer sich verständigen kann, hat auch die Möglichkeit aktiv an der Gesellschaft teilzunehmen. Der steirische Landesschulrat und die Stadt Graz versuchen daher durch gezielte Bildungsmaßnahmen (Sprachförderungen, etc.) die Chancen der kommenden Generation zu erhöhen", erklärt Hohensinner. „Jeder der eine gute Ausbildung hat und damit berufliche Chancen nutzen kann, ist in der Gesellschaft angekommen und weniger anfällig für radikale Tendenzen, da man sich selbst einen Wohlstand erarbeiten kann und eine gesunde Zukunftsperspektive hat."

  • Als eine Grundmaßnahme gibt es bereits seit 2014 die Präventionsangebote des Vereines ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus welches durch den Landesschulrat und die Stadt Graz ermöglicht wird. Viele Schulen haben das umfangreiche Angebot bereits wahrgenommen oder sind gerade dabei dies zu tun. Dieses Maßnahmen-Paket soll im laufenden Schuljahr ausgebaut werden.
  • Landesschulrat Steiermark, Stadt Graz und der Verein „Sicher Leben in Graz" organisierte Sensibilisierungsworkshops für Pädagoginnen und Pädagogen bzw. Infoveranstaltungen zum Thema Islam mit Professor Ednan Aslan.
  • Eine Studie zum Milieu der Muslimen in Graz wird derzeit gerade in Kooperation mit Prof. Aslan erarbeitet. Es handelt sich hierbei um eine empirische Analyse der religiösen wie ethischen Werteorientierungen sowie der kulturellen und sozialen Hintergründe von muslimischen Flüchtlingen in Graz. Entwicklung von Handlungsempfehlungen für den Bereich Integrationsarbeit aufgrund der Fragebogenuntersuchung.
  • Mit dem Land Steiermark wurde das Projekt Heros eingereicht, welches genau auf die Zielgruppe der männlichen Jungen Muslime zugeschnitten ist.

Differenzierte Herangehensweise

Hohensinner plädiert für eine differenzierte Herangehensweise: „Wir müssen jenen Menschen, die da sind und integrationswillig sind, eine Perspektive bieten. Trotzdem dürfen wir bei negativen Tendenzen nicht die Augen vor der Realität verschließen und müssen klare Regeln aufstellen und auch leben. So sollen Vereine, die Radikalität schüren, verstärkt kontrolliert und notfalls auch untersagt werden."

Gleichzeitig ist jedoch auch der Bundesgesetzgeber gefordert. Flankierend zu der Präventionsarbeit in den Kommunen muss man auch ein Paket schnüren, das verstärkte Konsequenzen bei einem Fehlverhalten nach sich zieht. Konkret geht es dabei um jene Menschen, die schon radikalisiert sind, bereits aktiv an Kampfhandlungen teilgenommen haben oder Menschen dafür anwerben. „Für mich ist selbstverständlich, dass wir hier eine klare Haltung einnehmen müssen. Zurzeit gibt es einen Aufholbedarf um dem Rechtsstaat entsprechende Mittel in die Hand zu geben, um angemessen zu reagieren. Menschen die bereits aktiv an Kampfhandlungen teilgenommen haben, sollen keine Möglichkeit mehr bekommen nach Österreich zurückzukehren", fordert Stadtrat Kurt Hohensinner.

Klar muss auch sein, dass Werte und Rechtsgrundsätze die die europäischen Gesellschaften mühevoll erarbeitet und erkämpft haben, nicht verhandelbar sind. Gerade in diesem Bereich sind die Werte- und Orientierungskurse des ÖIF ein erster Schritt, um den Menschen die Spielregeln des Zusammenlebens in Österreich zu erklären.

Konsequenzen für jene, die sich nicht an Spielregeln halten

„Für mich sind die Werte- und Orientierungskurse wichtig, da sie den neu zugezogenen Menschen das Leben in Österreich verständlich näher bringen. Jene die schon länger in Österreich leben, zum Teil die österreichische Staatsbürgerschaft haben und dennoch nicht bereit sind, die gesellschaftlichen Umstände (Gleichstellung der Frau) zu akzeptieren, sage ich: Ihr habt eine tolle Chance bekommen hier aufzuwachsen. Wir unterstützen euch auch wenn es Probleme gibt. Falls jedoch kein Wille da ist, die Spielregeln zu akzeptieren, muss es auch Konsequenzen geben", so der Integrationsstadtrat abschließend.

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