Die Stadt Graz ist einmal mehr Vorreiter in Sachen Integration: Das Projekt „Heroes - gegen Unterdrückung im Namen der Ehre" macht junge Männer mit Migrationshintergrund zu Botschaftern für die Rechte von Frauen.
Welche Chancen Frauen mit Migrationshintergrund ergreifen und wie sie ihr Leben in Österreich gestalten können, ist nicht immer nur Sache ihres eigenen Engagements. Oft hat auch das soziale Umfeld eine entscheidende Rolle: die Väter, Ehemänner oder Brüder. „In den Köpfen vieler Männer aus arabischen Staaten, Südosteuropa, der Türkei oder Nordafrika ist die Kultur der Ehre noch immer fest verankert. Patriarchales Verhalten ist für sie Teil ihrer Identität", erzählt Emina Saric von der Caritas der Diözese Graz Seckau. Diese fungiert mit ihrer Beratungsstelle Divan gemeinsam mit dem Verein für Männer- und Geschlechterthemen als Träger des Projekts in der Steiermark. Junge Männer aus Ehrenkulturen setzen sich darin kritisch mit Geschlechterrollen auseinander und werden zu „Heroes" ausgebildet: zu Vorbildern, die sich für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern stark machen. „Als Stadt Graz haben wir 2015 eine Integrationsstrategie entwickelt, damit wir treffsicher und nach klaren Vorgaben agieren können. Wir sind überzeugt: Integration braucht positive Menschen und Vorbilder. Genau hier setzt ‚Heroes‘ an. Als Hero haben junge Migranten die Möglichkeit in der Gesellschaft etwas zu bewegen, sich einzubringen und zur Gleichstellung der Geschlechter beizutragen. Das Projekt schafft damit eine Plattform, die die Menschen und die Gesellschaft nachhaltig verändert", erklärt Integrationsstadtrat Kurt Hohensinner.
„Es ist unser Ziel, Menschen die zu uns gekommen sind und bei uns leben, in unsere Gesellschaft zu integrieren. Integration funktioniert allerdings nicht von selbst. Als Gesellschaft müssen wir unsere Grundwerte, zu denen auch die Einhaltung der Menschenrechte gehört, klar aufzeigen und aktiv einfordern. Vor allem die Gleichbehandlung von Mann und Frau, ist ein zentraler Grundwert und unverhandelbar. Mit dem Projekt ‚Heroes‘ werden Jugendliche mit Migrationshintergrund selbst zu Multiplikatoren ausgebildet, und treten damit für die Einhaltung unserer gemeinsamen Werte, und damit für Integration, ein", so Integrationslandesrätin Doris Kampus.
Reflexion im Ehrkontext
Die angehenden „Heroes" sind Jugendliche mit Migrationshintergrund zwischen 16 und 19 Jahren. Sie sollten in Österreich gut integriert und bereit sein, sich mit Themen wie Ehre und Identität, aber auch sexuellen Moralvorstellungen auseinanderzusetzen. Seit Jänner wird nach entsprechenden jungen Männern in Graz gesucht. Die Suche gestaltet sich dabei nicht immer einfach. Engagierte Jugendliche mit derart liberalen Einstellungen sind oft schwer zu finden. Derzeit läuft gerade die Ausbildung der zukünftigen „Integrations-Helden". In wöchentlichen Sitzungen regen ausgebildete Pädagogen die Burschen an, ihre Erfahrungen mit Ehrvorschriften zu reflektieren. In Rollenspielen werden dafür Situationen nachgestellt, die im Ehrkontext häufig vorkommen: z.B. ein Vater, der seine Tochter gegen ihren Willen verheiraten möchte oder ein junger Mann, der losgeschickt wird, um seine Schwester aus einem Lokal nach Hause zu holen, notfalls mit Gewalt. Durch die Rollenspiele versetzen sich die jungen Männer in die Lage der Mädchen und Frauen. „Viele erkennen gerade in diesen Momenten, warum es so wichtig ist, dass Männer selbst gegen die Unterdrückung von Frauen eintreten - auch gegen die eigene Community", so Saric.
Authentische Vorbilder
Sechs bis neun Monate dauert die Schulung. Im Dezember werden die ersten Teilnehmer ihre Schulung abschließen. Danach, ab Jänner 2018, werden die neuen „Heroes" selbst Workshops in Schulen oder Jugendzentren abhalten und versuchen, andere junge Männer mit autoritär geprägten Werthaltungen zum Umdenken zu bewegen. Die Authentizität der Rollenvorbilder ist der Erfolgsfaktor des mehrfach ausgezeichneten Projekts, das seit 2017 bereits in acht deutschen Städten sehr erfolgreich zum Einsatz kommt. Die ursprüngliche Projektidee stammt aus Schweden. Das steirische Projekt wird von Stadt Graz, Land Steiermark und vom Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres finanziert.