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70 Jahre lebendige Städtepartnerschaft

Graz - Montclair

29.06.2020

Ein besonderes Kennzeichen der Städtefreundschaft Graz - Montclair ist der jährliche beiderseitige Studierendenaustausch zwischen den Grazer Universitäten und der Montclair State University.

Impressionen von der Montclair State University:

Erfahrungsberichte von Studierenden

Mit diesem Austauschstipendium werden Horizonte erweitert und das Verständnis für andere Kulturen intensiviert.
Im Folgenden nun Erfahrungsberichte von einigen Austauschstudierenden:

"Before arriving in Graz, I was a bit nervous navigating the university, making friends and just overall survival. Yet, when I arrived, things just started to fall into place. The professors were so helpful and understanding. Everything I needed was a walk or tram stop away. I made life long friendships and most of all, I got to experience Austrian culture - especially my favorite the Buschenschank. For this last point, I would especially like to thank Maxie, who organized so many events and really helped in turning Graz into my second home. Graz is such a unique city, because it combines the conveniences of city life but also the beauty of the countryside. I will always treasure my time in Graz and will never forget my experiences there."

(Nichola Phillips, Studentin der Sprachwissenschaften, 2019/20 in Graz)

"Graz is a charming, beautiful city! I loved meeting so many great people and Graz's close proximity to other neighboring European countries/cities. Walking up to Graz's clock tower and the view of the city is amazing, I especially loved having picnics up there with fellow students and the view at sunset is stunning! I love the architecture of all the old buildings and the center of town (Hauptplatz) is lovely. Eggenberg Palace was another one of my favorite places in Graz. Both the inside and outside of the palace are gorgeous, and if you visit on a sunny day walking around the palace grounds is so beautiful. I also loved seeing the free-roaming peacocks strutting around the palace grounds. Overall, Graz is a charming old city that is definitely worth visiting!"

(Sabrina Dindino, Studentin der Betriebswirtschaftslehre, 2019/20 in Graz)

Montclair - mein täglicher und allgegenwärtiger Wegbegleiter!

Mein 10-monatiger Aufenthalt in Montclair im Rahmen eines Stipendiums der Städtepartnerschaft Graz-Montclair hat sichtlich Spuren hinterlassen und lässt mich nicht los - und das ganz im positiven Sinne!

Sechseinhalb Jahre ist es nun schon her, als ich nach einem Vorstellungsgespräch im Grazer Rathaus den erfreulichen Anruf einer Zusage erhielt; und an diesen Moment kurz vor Weihnachten erinnere ich mich noch sehr gut. Mit dieser Zusage wurde mir die Fortführung meines Klavier-Masterstudiums an der Montclair State University, Cali School of Music, im Rahmen eines Vollzeit-Stipendiums der Stadt Graz ermöglicht. Damit wurden sowohl die Studiengebühr als auch Kosten für Unterkunft und Verpflegung für den gesamten Aufenthalt finanziert.

Das Gefühl, dass mir eine aufgregende Zeit bevorstehen würde, erinnerte mich an meinen viermonatigen Aufenthalt in Australien, den ich als 17-Jährige bei einer Gastfamilie erleben durfte. Schon damals fiel es mir nicht besonders schwer, mich in einer neuen Umgebung zurecht zu finden. Es dauert meist nur eine kurze Zeit um mich zu orientieren, anzukommen, mein Umfeld wahrzunehmen; und dann bin ich schon mittendrin in dieser neuen Welt. Und, wie das eben so ist, ist nach einigen Wochen bei mir das Gefühl der zweiten Heimat - oder eigentlich dritten Heimat nach dem ebenso prägenden Aufenthalt in Australien - entstanden. Mitgrund war mit Sicherheit auch der Verein "Overseas Neighbors" mit Präsidentin Juliana Belcsak; sie und ihre Familie haben Sebastian Swoboda (ebenfalls Stipendiat, Karl-Franzens-Universität) und mich vom ersten Tag der Anreise an über die gesamte Dauer unseres Aufenthalts unglaublich herzlich betreut und von ihnen haben wir viel über amerikanische Werte, aber auch Bräuche erfahren.

Die Nähe zu New York war gerade für mich als Musikerin ein Highlight - zigmal war ich in der Metropolitan Opera (MET), am Broadway und in der Carnegiehall, in der ich sogar für einige Monate regelmäßig als Volunteer im Einsatz war, zu Besuch. Meine studienfreie Zeit nutzte ich für Reisen, die mich u. a. nach Washington, Philadelphia, Boston, Florida und auf die Bahamas führten.

Nach einer sehr aufregenden Anfangszeit wird der Drang, alles sehen und erleben zu wollen etwas weniger, man lebt einen neuen Alltag, findet Lieblingsplätze, verbringt Zeit mit den neu gewonnenen Freunden, taucht tiefer in eine neue Kultur ein, bemerkt unterschiedliche Lebensweisen und passt sich gewissermaßen auch an. Amerika hat so viel Faszination und Diversität zu bieten; trotzdem habe ich bis heute aber noch viele Bilder im Kopf, die mich nachdenklich gemacht haben; zum Beispiel von Reichtum und Armut, die ich in New York unmittelbar nebeneinander erlebt habe, oder von Arztbesuchen, die für viele meiner neu gewonnenen Freunde große finanzielle Hürden darstellten.

Es war jedenfalls eine aufregende, abenteuer- und auch lehrreiche Zeit, die ich gemeinsam mit Sebastian Swoboda, mit dem sich eine tolle Freundschaft entwickelt hat, in und um Montclair verbringen durfte. Diese zehn Monate in Übersee haben meine Persönlichkeit wachsen lassen, die Beziehung mit meinem Freund gestärkt, mir viele Aspekte aufgezeigt, die mich das Leben in Österreich noch mehr schätzen lassen, aber auch viele neue und spannende Aspekte am American lifestyle kennenlernen lassen.

Mein Auslandsaufenthalt hinterlässt auch bis heute noch Spuren. Während meiner Zeit in Montclair ergab sich etwa die Gründung eines Klaviertrios mit Studienkollegen und wir hatten zahlreiche Konzerte in Montclair und später auch eines in Graz. Gleich ein Jahr nach meiner Rückkehr hat es mich wieder nach New York gezogen, ich habe StudienkollegInnen und viele meiner Lieblingsplätze besucht. Vor kurzem durfte ich die Hochzeit meiner spanischen Mitbewohnerin in Valencia miterleben. Ein befreundetes Ehepaar - er ist Geschichtsprofessor an der MSU und war vor Jahrzehnten im Rahmen des Stipendiums in Graz - kam vor ein paar Jahren zum gemeinsamen Wandern nach Österreich. Freunde und MitbewohnerInnen aus Russland, Nigeria und Brasilien habe ich an verschiedenen Orten auf der Welt wiedergesehen und weitere Treffen sind auch in Zukunft geplant.

Diese Initiative einer Städtepartnerschaft ist nicht nur nice to have; vielmehr schreibt sie Geschichten, prägt Menschen und verändert, da bin ich mir sicher, auch deren Lebensweg - der Wunsch des vernetzt-seins mit unterschiedlichen Ländern und Kulturen war für mich bis hin zur Berufswahl ausschlaggebend und macht mir tagtäglich Freude. Ich bin der Stadt Graz unsagbar dankbar, dass ich diese Erfahrung machen durfte und freue mich für all jene, denen dieses Erlebnis noch bevorsteht.

Ganz besonders schön finde ich, dass der Austausch mit ehemaligen StipendiatInnen durch die Initiative des Vereins "Nachbarn in Übersee" lebendig bleibt; da kommen mehrmals im Jahr Menschen zusammen, die vielleicht sehr unterschiedlich sein mögen, aber sie haben alle die Gemeinsamkeit, dass sie vor unterschiedlich vielen Jahren in Montclair waren - da geht der Gesprächsstoff nicht aus! Dieses Netzwerk erweitert sich jedes Jahr durch zwei weitere StipendiatInnen, die, wie Sebastian Swoboda und ich auch, durch den Erfahrungsaustausch bestens auf die Reise vorbereitet werden und nach ihrer Rückkehr die Erlebnisse mit anderen ehemaligen StipendiatInnen teilen können.

Als dieser Auslandsaufenthalt vorbei war, kehrte ich mehr als bereichert nach Hause zurück. Natürlich war auch ein weinendes Auge dabei - man verlässt ein Umfeld, das man sehr liebgewonnen hat - aber der Reiz, den es hat, seine gewohnte Umgebung für eine zeitlang zu verlassen, um einen anderen Fleck auf der Welt zu entdecken und über sich selbst hinauszuwachsen, ist ein Gefühl, für das es sich jedes Mal wieder lohnen würde.

(Stefanie Nöst, Instrumentalpädagogin, 2014/15 in Montclair)

 

 

Stefanie Nöst und Sebastian Swoboda mit dem Geschichtsprofessor und ehemaligen Stipendiaten Jeff Gould
Stefanie Nöst und Sebastian Swoboda mit dem Geschichtsprofessor und ehemaligen Stipendiaten Jeff Gould© Privat

Mein Austausch in den USA - ein Fanal für das Leben

75 Jahre, beinahe auf den Tag genau, ist es her, dass der 2. Weltkrieg endete. 70 Jahre, beinahe auf den Tag genau, ist es her, dass die Städtepartnerschaft zwischen Montclair, New Jersey und Graz begründet wurde. 5 Jahre, beinahe auf den Tag genau, ist es her, dass ich vom zehnmonatigen Austausch in Amerika, der im Rahmen der Städtepartnerschaft ins Leben gerufen wurde, zurückgekehrt bin. Es ist Zeit für einen Rück- und Ausblick und auch für eine Bewertung dieses Aufenthalts und dem, was folgte.

 

Abreise und Ankunft

Ich erinnere mich noch gut zurück an einen Anruf, der mich am RESOWI an der Karl-Franzens-Universität Graz erreichte, am Abend des Hearingtages zum Stipendium: Maxie Uray-Frick, die umtriebige und engagierte Leiterin des Vereins „Nachbarn in Übersee", überbringt die positive Nachricht. Ich kann es kaum glauben: Ich fahre nach Amerika! Die Vorfreude ist riesig.

Dann die traurige Verabschiedung im Haus meiner Großeltern auf dem Land, das „Auf-Wiedersehen-Sagen" mit meinen Eltern und meiner Großmutter auf dem Flughafen und dann die Gangway entlang ins Ungewisse, ins Neue, ins Internationale.

 

Das Eintreffen in Montclair

Einen halben Tag später, Ankunft in New York, ich bahne mir den Weg Richtung Montclair, New Jersey (ungefähr 40 Minuten mit dem Zug von New York aus). Dorm beziehen, Koffer auspacken und sich unter allen anderen internationalen Studierenden einfinden: SpanierInnen, NorwegerInnen, ZypriotInnen, BrasilianerInnen, MozambiquianerInnen, ChilenInnen, KolumbianerInnen, KoreanerInnen, Afghanis, EngländerInnen, AustralierInnen, NeuseeländerInnen, ItalienerInnen, Pakistanis, SerbInnen usw...

Wenige Tage und Wochen später wurden aus den oben genannten Länderzuschreibungen Freunde: Teresa, Johanne, Amanda, Jonas, Sindre, Christos, Luìs, Lucas, Fernanda, Melissa, Henry, Changwon, Marzia, Basbibi, Tom, Hannah, Jessica, Adam, Laken, Andrea, Taimur, Milos usw.

Abseits der gewonnenen Freundschaften, der Eindrücke aus New York, der vielen neuen Bekannt- und Freundschaften mit AmerikanerInnen brachte meiner Grazer Co-Austauschstudentin, Stefanie Nöst, und mir vor allem Juliana Belcsak und der Alltag den „American Way of Life" näher. Vom ersten Moment an um uns bemüht, feierte Juliana, die nach Amerika ausgewanderte Österreicherin gemeinsam mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern mit uns unsere Ankunft, Thanksgiving, Ostern und auch unseren Abschied von Montclair.

 

Die Montclair State University

Auch das studentische Leben gestaltete sich ganz anders als das von der Grazer Karl-Franzens Universität gewohnte, da es in Montclair sehr „verschult" oder - positiv ausgedrückt - viel besser betreuten Unterricht in kleinen Gruppen gibt. Für mich als Betriebswirtschaftsstudent besonders spannend war der Zugang der Universität zum Thema Entrepreneurship, das meine Spezialisierung im Bachelor werden sollte: An einem eben erst entstandenen Institut mit sehr engagierten Professoren war der Unterricht faszinierend, kreativitätsfördernd und praxisnah. Der Entrepreneurship-Unterricht endete nach neun Monaten mit einem amerikanisch-österreichischen Teamerfolg bei einem Pitch-Wettbewerb und einer Siegerprämie von $10.000 - besser hätte es kaum laufen können.

 

Die Reisen

Das war aber bei Weitem nicht alles, was ich erleben durfte. Denn es zog mich auf Reisen durch die USA von der East Coast an die West Coast, von den „Nordstaaten" in die „Südstaaten", quer durch die Midwest States, vom Amish People Land Virginia bis in die ehemalige Hippie-Hochburg San Francisco und vom österreichischen Konsulat bis zum Büro des State President Pro Tempore, Marc R. Pacheco, in Boston. Dort konnte ich nach meiner Zeit an der Uni und den Reisen noch ein kurzes Praktikum anhängen und das amerikanische politische System in Vorwahlzeiten kennenlernen.  

 

Die Transatlantic Entrepreneurship Academy Graz-Montclair

Genau vor fünf Jahren ging es dann zurück - mit einem lachenden und einem weinenden Auge und mit der Zuversicht, dass es bald wieder ein „Homecoming" nach Amerika geben würde. Und das kam dann auch so. Schon während meiner Zeit in Montclair trieb mich der Gedanke um, dass mehr Studenten die Chance erhalten sollten, etwas Ähnliches zu erleben wie ich. Meine Entrepreneurship-Erlebnisse und mein Kontakt zu meinen amerikanischen Freunden ließ mich Ideen spinnen, einen Austausch im Fach Entrepreneurship von AmerikanerInnen und ÖsterreicherInnen zu organisieren. Professor Alfred Gutschelhofer und sein Institut für Unternehmensführung und Entrepreneurship unterstützten die Pläne und stellten mich eineinhalb Jahre für deren Umsetzung an. Mit großer Unterstützung seines Teams und den amerikanischen Pendants rund um Dennis Bone, dem damaligen Leiter des Feliciano Center for Entrepreneurships, Jason Frasca und Iain Kerr, abermals Juliana Belcsak und vieler Sponsoren (Stadt Graz, Karl-Franzens-Universität Graz u.a.) gelang es, die Transatlantic Entrepreneurship Academy ins Leben zu rufen. Sie findet seit dem Frühjahr 2017 jährlich mit 20 amerikanischen und 20 österreichischen Studenten statt. In gewisser Weise habe ich nach meinem Austauschjahr mehr Zeit mit Montclair und den österreichisch-amerikanischen Beziehungen verbracht als zu jener Zeit, als ich dort studiert habe.

 

Was lehrte mich die Zeit?

Die Zeit in Montclair hat mich nicht nur mit Erfahrungen ausgestattet, sie hat mich vor allem persönlich auf eine ganz positive Weise verändert, wie ich meine. Der Aufenthalt in Amerika hat mir eine gewisse Weltläufigkeit geschenkt und auch eine Offenheit für andere Zugänge, die sich seither immer wieder zeigt. Der Austausch war ein Start für viele weitere Erfahrungen, die ich sonst vermutlich nicht gemacht hätte: Ob es die Arbeit am Außenwirtschaftscenter in Indien war, meine Masterstudiumswahl im Fach Export- und Internationalisierungsmanagement an der Wirtschaftsuniversität Wien oder auch das Masterarbeitsthema zu Powernapping in Unternehmen. All das resultierte aus der Zeit, die mir ermöglicht wurde. Das Austauschjahr hat mir aber durchaus auch das Schöne an Österreich und Europa offenbart und mich gelehrt, dass ich sehr gerne hier lebe und auch langfristig leben möchte.

Mein Großvater (geb. 1939) sagte immer schon: „In den USA werden Dinge erfunden, nach fünf Jahren kommen sie nach Deutschland und nach 10 Jahren dann nach Österreich." Man darf den Satz nicht mehr wörtlich verstehen, aber sinnbildlich verkörpert er immer noch genau das, wofür er wörtlich steht: Amerika ist zeitlich „vorne". Klar, die Welt ist zwar geopolitisch diverser geworden, es gibt China und viele andere Player auf der Welt. Amerika war und ist auch nie, wie das Sprichwort sagt, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten gewesen, aber es ist doch ein Ort an dem immer wieder vieles entsteht und vor allem auch vieles (mit-)entschieden wird. Man kann von diesem Land nach wie vor sehr vieles lernen, und die rechtsstaatliche, demokratische, liberale, transatlantische Partnerschaft von Europa mit den Staaten ist in einer globalisierten Welt so wichtig wie kaum zuvor in der Geschichte.

Es ist ein großes Privileg und Geschenk zugleich, als Student über das Programm „Nachbarn in Übersee" der Stadt Graz ein Auslandsjahr an der Montclair State University machen zu dürfen. Die Stadt Graz und auch Österreich sollten es weiterhin als große Chance erkennen, Möglichkeiten solcher Austauschprogramme intensiviert zu fördern - denn die Investition wird Früchte tragen - vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen, aber spätestens übermorgen. Es braucht Brückenbauer, gerade in Zeiten wie diesen, denn ein völkerverbindender Austausch ist nicht nur eine unglaubliche persönliche Bereicherung für jeden, sondern auch ein Fanal für das weitere Leben. Ich möchte mich jedenfalls vielmals für die Möglichkeit bedanken, dass ich diese Chance erhielt. Auf weitere 70 Jahre!

(Sebastian Swoboda, Betriebswirtschafter, 2014/15 in Montclair)

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