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Contact Tracing: Offener Brief an Kurz & Anschober

13.07.2020

Die rasche Nachverfolgung einer Corona-Infektionskette ist aufwändig, Zeit dabei ein essentieller Faktor. Die MitarbeiterInnen des Gesundheitsamts und anderer Abteilungen haben Hervorragendes geleistet und sind dabei an die Grenzen des Möglichen gegangen. Die Bezirksgesundheitsbehörden brauchen dringend ausreichend Ressourcen, um ihren Aufgaben nachkommen zu können. Der Grazer Gesundheitsstadtrat Robert Krotzer hat sich mit einem offenen Brief an Bundeskanzler Sebastian Kurz und Gesundheitsminister Rudolf Anschober gewandt.

Hanno Wisiak

Sehr geehrter Bundeskanzler Kurz,
sehr geehrter Herr Bundesminister Anschober, lieber Rudi,

Österreich zählt zu jenen Ländern, in denen sich das Corona-Virus in geringerem Ausmaß verbreitete und vergleichsweise nur wenige Opfer zu beklagen sind. Einen wichtigen Beitrag dazu haben die Magistrate und Bezirkshauptmannschaften geleistet, sie waren und sind der Dreh- und Angelpunkt bei der Bewältigung der Corona-Pandemie in Österreich.

So haben auch die MitarbeiterInnen des Gesundheitsamts der Stadt Graz in den vergangenen Wochen und Monaten Großartiges geleistet, haben mit der Unterstützung von KollegInnen aus vielen anderen Abteilungen des Magistrats an Wochenenden durch­gearbeitet und sind an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gegangen.

Die gute Entwicklung macht es möglich, früher und in größeren Schritten als andere Staaten zur Normalität zurückzukehren. Entscheidend dabei wird "ein regional zugeschnittenes Vorgehen und ein treffsicheres Containment" sein, wie Sie, Herr Bundeskanzler, in einem Interview betont haben, ergänzt um die plastische Formulierung "damit aus einzelnen Glutnestern nicht wieder ein Flächenbrand wird".

Unerlässlich dafür ist es, potenziell infizierte Menschen zu identifizieren, ihre Wege zurück­zuverfolgen und so die Infektionskette möglichst früh zu unterbrechen. Das Bundes­ministerium für Gesund­heit gibt die erforderlichen Tätigkeiten vor, umgesetzt werden sie von den Bezirks­gesundheits­behörden. Um das zu leisten, brauchen diese jedoch ausreichend Ressourcen - und die sind leider nicht vorhanden.

Die rasche Nachverfolgung der Infektionskette ist aufwändig, Zeit dabei ein essentieller Faktor. Tagtäglich gehen auch weiterhin über 50 Meldungen beim Gesundheitsamt der Stadt Graz ein. Jede dieser Meldungen muss gewissenhaft nachverfolgt und erhoben werden - auch wenn noch kein Testergebnis vorliegt. Erstgespräche bei Verdachtsfällen werden von einer Amtsärztin oder einer ähnlich qualifizierten Person durchgeführt. Bei einer positiven Covid-19-Testung sind tiefergehende Interviews - oft auch mehrmals - nötig, die bis zu zwei Stunden dauern, um Wege und Kontakte der infizierten Person zurück- und nachverfolgen zu können. Sämtliche genannten Kontakte müssen dann überprüft und informiert werden und natürlich dokumentiert, in Form eines Bescheids verschriftlicht und nachverfolgt werden.

Um diesen Aufgaben gewachsen zu sein, sprach der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn gar von fünf MitarbeiterInnen des öffentlichen Gesundheitsdienstes pro 20.000 EinwohnerInnen, um Kontakte nachzuverfolgen. In der Folge schnürte die deutsche Bundes­regierung ein Paket für die personelle und digitale Aufstockung der etwa 375 Gesundheits­ämter in der Höhe von 50 Millionen Euro.

Ein ähnliches Paket zur Stärkung der lokalen Gesundheitsbehörden wäre auch in Österreich dringend geboten. So haben die MitarbeiterInnen des Gesundheitsamts der Stadt Graz auch vielfältige andere Aufgaben im Interesse der öffentlichen Gesundheit zu bewältigen - vom umfassenden Angebot in der Impfstelle, über die gesetzlich vorgeschriebene Untersuchung der Sexarbeiterinnen bis hin zu medizinischen Aufgaben bei Behördenverfahren oder der Totenbeschau -, die durch die Pandemie nur vorübergehend in den Hintergrund gerückt sind.

Zusätzlich soll mit Ende Juni eine weitere Aufgabe auf die Bezirksgesundheitsbehörden zukommen, die von ebenso enormer gesundheitlicher Relevanz für die Bevölkerung, wie von wirtschaftlicher Tragweite für die VeranstalterInnen ist: Die Beurteilung der Schutzkonzepte bei Veranstaltungen mit über tausend Gästen und bei Messen.

Wie eingangs schon erwähnt, haben die MitarbeiterInnen des Gesundheitsamts und anderer Abteilungen Hervorragendes geleistet und sind dabei an die Grenzen des Möglichen gegangen. Das Limit ist erreicht. Um den anstehenden Herausforderungen gewachsen zu sein, ist eine Personalaufstockung und eine Stärkung der lokalen Gesundheitsbehörden unumgänglich.

Darum darf ich Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, und Sie, sehr geehrter Herr Bundes­minister, auf diesem Wege dringend ersuchen, die Bezirksgesundheitsbehörden mit den essenziell benötigten Ressourcen auszustatten, die sie brauchen, um die Verantwortung und diese wichtigen Aufgaben für die Gesundheit der österreichischen Bevölkerung übernehmen zu können.

 

Ich danke im Voraus und verbleibe mit freundlichen Grüßen,

Mag. Robert Krotzer
Stadtrat für Gesundheit und Pflege der Landeshauptstadt Graz

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