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Aktionsplan gegen Vereinsamung

14.07.2020
Sozialstadtrat Kurt Hohensinner und Sandra Schimmler (Fachbereichsleiterin im Sozialamt)
Sozialstadtrat Kurt Hohensinner und Sandra Schimmler (Fachbereichsleiterin im Sozialamt)© Stadt Graz/Fischer

„Einsamkeit und das Gefühl unerwünscht zu sein, ist die schlimmste Armut", hat Mutter Theresa sehr treffend formuliert. Gerade in den urbanen Räumen merkt man derzeit, dass das Problem Vereinsamung immer stärker spürbar wird, so auch in Graz. „Vereinsamung ist ein sehr komplexes Thema, das alle Generationen und alle gesellschaftlichen Schichten treffen kann. Gerade im Sozialressort aber auch darüber hinaus merken wir, dass das Phänomen Vereinsamung immer stärker spürbar wird. Derzeit sind knapp unter 50 Prozent der Grazer Haushalte Single-Haushalte. Alleine zu leben und alleine zu wohnen sucht sich nicht jeder freiwillig aus, und oft geht mit dem Alleine Leben auch die Einsamkeit einher", erklärt Sozialstadtrat Kurt Hohensinner. Seit Ende des vergangenen Jahres stellt das Sozialressort nun verstärkt das Thema Vereinsamung in den Mittelpunkt. „Soziale Politik heißt für Menschen in all ihren unterschiedlichen Lebenssituationen da zu sein und gerade jenen Menschen zu helfen, die es selbst nicht mehr können. Als Sozialstadtrat ist es mir ein besonderes Anliegen gezielte Strategien aufzuzeigen, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Graz zu stärken und um die Vereinsamung in Graz einzudämmen", so Hohensinner.

Aktionsplan mit drei Säulen

Als Startschuss für die Bemühungen gegen Vereinsamung fand im vergangenen Herbst eine Fachtagung zum Thema im Grazer Rathaus statt. Aufbauend auf deren Ergebnisse wurde ein Aktionsplan ausgearbeitet, der nun im gestrigen Stadtsenat beschlossen wurde. Der Aktionsplan baut auf drei Säulen auf:

  1. Maßnahmen des Haus Graz
  2. Schwerpunkt-Kooperation mit dem Kolleg für Sozialpädagogik
  3. 20 ausgewählte Projekte aus dem Fördercall „Vereinsamung"

„Als ersten Schritt haben wir die Projekte der städtischen Abteilungen gebündelt", erklärt Hohensinner, „es gibt bereits zahlreiche Initiativen, auf die wir aufbauen können." So bietet etwa das SeniorInnenbüro einen Ort der Begegnung, wodurch vor allem älteren Menschen der Zugang zu gesellschaftlichen Teilnahme und Teilhabe ermöglicht wird. Zahlreiche Aktivitäten in jedem Monat, und vor allem das Cafe Graz und das Adventkonzert laden die Senioren ein. Auch das Seniorensommerprogramm findet heuer, wenn auch aufgrund von Covid-19 in angepasster Form, statt. Ebenso hervorzuheben: Zahlreiche Projekte der Stadtbibliothek als niederschwellige Bildungseinrichtung, wie etwa die Bücherboten, Jugendbibliothek oder das Sprachcafe „Deutsch um Drei", sowie Jugendzentren, Elternberatungen und Freizeitangebote des Amtes für Jugend und Familie. Darüber hinaus wurde das Kolleg für Sozialpädagogik für eine Kooperation gewonnen. Im Sommer 2020 werden dort fünf Praxisprojekte zum Schwerpunktthema durchgeführt. Geplant sind hier „Young Chefs" - die Entwicklung einer Online-Plattform rund ums Kochen für junge Menschen, „Brücken bauen zwischen Alt und Jung" - Brieffreundschaften initiieren, „Kräutergarten" - Beschäftigung rund um Garten und Pflanzen, „Neustart" - ein Musikprojekt und ein „Fähigkeiten-Flohmarkt".

Fördertopf mit gesamt 62.000 Euro

Herzstück des Aktionsplans ist ein eigens eingerichteter Fördertopf zum Thema Vereinsamung. Insgesamt steht ein Gesamtfördervolumen von 62.000 Euro zur Verfügung. „Wir haben zahlreiche Einreichungen im Fördercall bekommen", sagt der Sozialstadtrat, „das zeigt auch die Wichtigkeit des Themas. Bei der Auswahl der Projekte wollten wir eine größtmögliche Breite und Vielfalt erreichen, sowohl örtlich als auch in den Zielgruppen." Als Entscheidungshilfe für die Beurteilung wurden außerdem Kriterien nach dem „EASE" Programm (von John Cacioppo, University of Chicago) herangezogen. EASE bedeutet:

  • extent (ausweiten) - zwischenmenschlichen Aktionsradius erweitern, neue Räume, Kontakte ausprobieren. 
  • action (Aktivität) - nur eigene Aktivität führt aus der Einsamkeit. Betonung auf das aktiv werden für das eigene Wohlbefinden!
  • selectiv (aussuchen) - Wichtig ist zudem, die besten Beziehungen auszusuchen und zu verstärken, das heißt zu selektieren. 
  • expect the best (das Beste erwarten) - nicht aus Angst vor Zurückweisung im Zustand der Einsamkeit verharren.

Vom Generationentreff über Wohnzimmerkonzerte bis zu mobilen Gärten

Insgesamt wurden 20 Projekte zur Umsetzung ausgewählt. Die Umsetzung findet nun in der zweiten Jahreshälfte 2020 statt. Alle Projekte wurden dabei in Bezug auf die aktuellen Covid-19-Vorgaben geprüft und gegebenenfalls adaptiert. „Die Projekte sind so vielfältig, wie das Phänomen der Vereinsamung selbst. Auch aktuelle Erfahrungen des Corona-Lockdowns sind teilweise eingeflossen", so Hohensinner, der sich auch darüber freut, dass neben bewährten Trägern auch einige Einzelpersonen Projekte eingereicht haben. Unter anderem im Programm: Ein Generationentreff des Vereins JUKUS, der Lerntreff „Partnership for Kids", Wohnzimmerkonzerte vom Verein a.mus.e, ein Straßenspielplatz der Generationen im Andrä Viertel, die „Single AG" für Menschen mit Behinderung oder „Voll im Leben" der Lebenshilfe, mobile Gärten von FGM, „Draußen aktiv gesund" der ARGE für Sport und Körperkultur in Österreich, ein intergeneratives Tanztheatermärchen im BeGS, oder „Graz Com" der Grazer Stadtidee.

Rückschau: Fachtagung

Als Startschuss für die Bemühungen gegen Vereinsamung fand am 20. November 2019 im Grazer Rathaus eine Fachtagung unter dem Titel „Zusammenhalt Graz - Herausforderung Vereinsamung" statt. Ziel war es, das Phänomen Vereinsamung aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, aber auch Good-Practice-Projekte vorzustellen und zukünftige Maßnahmen zu diskutieren. Im Zentrum der Tagung standen zwei Impulsreden. Psychiater und Bestseller-Autor Reinhard Haller widmete sich den psychologischen Aspekten hinter der Einsamkeit. Von Narzissmus über Sucht bis hin zu Depressionen und weiteren gesundheitlichen Auswirkungen. Erstaunlich: 10-12 Prozent der Bevölkerung leiden laut aktueller Studien an Depressionen, 25 Prozent machen in ihrem Leben zumindest eine schwere Depression durch. Die zahlreich erschienenen Gäste im Grazer Gemeinderatssaal beschäftigte er auch mit der Frage wie es sein könne, dass in einer vernetzten Welt immer mehr Menschen das Gefühl haben einsam zu sein. Genau dieser „Einsamkeit in der Connected Society" widmete sich danach die Zukunftsforscherin Oona Horx-Strathern. Sie tat das anhand von mehreren globalen Megatrends, die sie ausführte, unter anderem „Silver Society", also dass Menschen zwar immer älter werden, gleichzeitig aber mit fortschreitendem Alter auch in Gesundheit und Mobilität eingeschränkt sind. Auch die Megatrends „Individualisierung" und „Konnektivität" führte sie aus und zeigte auf, welche Risiken, diese in puncto Vereinsamung mit sich bringen können. Im Anschluss an die Impulsreden wurde in Arbeitsgruppen weiter diskutiert und vernetzt. Unter anderem wurden auch Good-Practice-Beispiele der Stadt Graz präsentiert, wie Vereinsamung vorgebeugt werden kann. Etwa „Points4Action", wo junge Menschen Aktivitäten mit Bewohnern von Altenheimen durchführen, aber auch das Programm „Besuch & Buch" der Stadtbibliothek, in dem Bücherboten Menschen mit Büchern und Geschichten besuchen.  

Michael Wildling

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