Die Stadt Graz setzt ab sofort einen neuen Arbeitsschwerpunkt auf das Thema Parallelgesellschaften. Dazu wird eine Fach- und Präventionsstelle unter dem Namen „Gegenlicht" eingerichtet. Den Startschuss für den Arbeitsschwerpunkt liefert eine Fachtagung am 1. Juli.
„Die Integration von zugezogenen Menschen ist eine der größten Herausforderungen für urbane Räume wie die Stadt Graz", weiß Bildungs-, Integrations- und Sozialstadtrat Kurt Hohensinner, „auf der einen Seite braucht es eine restriktive Zuwanderungspolitik und klare Regelungen, damit unsere Gesellschaft integrationsfähig bleibt. Andererseits müssen und wollen wir jenen, die dauerhaft bei uns bleiben, Chancen auf Bildung, Arbeit und sozialen Aufstieg geben, um eine bestmögliche Teilhabe und Partizipation an unserer Gesellschaft zu ermöglichen. Erfolgreiche Integration ist ein wechselseitiger Prozess und lebt vom aktiven Miteinander. Die Abschottung einzelner Gruppen steht diesem Miteinander entgegen." Dem Phänomen Parallelgesellschaften wird deshalb schon seit längerer Zeit von Seiten der Wissenschaft aber auch der Politik verstärkt Aufmerksamkeit gewidmet. Es können vielfältige Ursachen und Schritte sein, warum gesellschaftliche Gruppen sich abkapseln und Segregation forciert wird. Von ethnisch geprägten Serviceangeboten bis hin zu religiösen oder kulturellen Normen. In einigen Fällen gehen diese auch mit radikalen und extremistischen Tendenzen einher.
Positive Handreichung und Präventionsarbeit
Vor diesem Hintergrund setzt die Stadt Graz ab sofort einen neuen Arbeitsschwerpunkt im Integrationsbereich auf das Thema Parallelgesellschaften. Erster Schritt ist die Einrichtung einer Fach- und Präventionsstelle mit dem Namen „Gegenlicht". Diese Anlaufstelle wird vom Verein „Sicher Leben in Graz" geführt und hat ihren Sitz in der Steyrergasse 114. Geführt wird die Stelle vom ehemaligem Stadtrat Werner Miedl, der schon in den vergangenen Jahren den Integrationsbereich der Stadt mit diversen Initiativen aktiv mitgeprägt hat. „Repression fördert Innovation. Macht die Menschen kreativ im Umgehen von Regeln", erklärt Miedl, „menschliche Zuwendung vermag Menschen aufzurichten, sie aus den dunklen Winkeln ihres extremen Denkens hervorzulocken. Durch die Handreichung der Mehrheitsgesellschaft Mut zu machen, am kulturellen, sozialen und gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, ist gelungene Präventionsarbeit." Dabei bedarf es aber auch an Konsequenz, meint Miedl: „Die Werte des demokratischen Europas mit all seinen Regeln sind nicht verhandelbar!"
Vielseitiges Tätigkeitsfeld
Um extremistischen und radikalen Tendenzen den Nährboden zu entziehen, setzt sich die Fach- und Präventionsstelle gegen Parallelgesellschaften nicht nur inhaltlich mit dem Thema auseinander, sondern setzt auch präventive Maßnahmen. Ein wesentlicher Baustein ist die Einrichtung einer mobilen Notrufnummer. Diese ist unter 0677/64 133 444 erreichbar. Aber auch Bewusstseinsbildung für LehrerInnen, SozialarbeiterInnen und MitarbeiterInnen der öffentlichen Verwaltung soll dabei helfen, Radikalisierungsprozesse zu erkennen und mit angemessenen Maßnahmen darauf zu reagieren. Einen weiteren Punkt bildet die Arbeit mit den verschiedenen Communities. Diese werden aktiv aufgesucht, um Aufklärungsarbeit zu leisten und für das Thema sensibilisiert. „Gegenlicht" versteht sich darüber hinaus auch als Mittler, der dazu beiträgt etwaige Missverständnisse zwischen Communities und Mehrheitsgesellschaft auszuräumen. Die direkte und unbürokratische Hilfestellung steht im Vordergrund. Einen wesentlichen Bestandteil der Arbeit von „Gegenlicht" bildet auch die Erhebung und Sammlung von Daten, auf Grund derer in weiterer Folge Strategien entwickelt und Maßnahmen gesetzt werden können.
Begleitung durch Expertenbeirat
Um die Maßnahmen zu überprüfen und auch Empfehlungen an die Politik auszusprechen, wird die Fach- und Präventionsstelle von einem Fachbeirat begleitet. „Ich freue mich, dass es uns gelungen ist, profunde ExpertInnen aus der Wissenschaft und der Praxis zu gewinnen, die die fachliche Begleitung unseres Projekts übernehmen werden", betont Hohensinner. Unter anderem stellen Josef Klamminger (ehemaliger Landespolizeidirektor und Sicherheitsdirektor), Ednan Aslan (Universitätsprofessor für islamische Religionspädagogik), Emina Saric (Projekt Heroes) und Lisa Fellhofer (Leiterin Islam Dokumentationsstelle) ihre Expertise zur Verfügung.
Namensgebung durch den Verbindungsfaktor Licht
Wie der Name schon sagt, soll „Gegenlicht" den Scheinwerfer auf die Thematik Parallelgesellschaften werfen. Woher die Idee für den Namen stammt, erklärt „Sicher Leben in Graz"-Geschäftsführer Werner Miedl: „Licht ist etwas Positives. Jeder Mensch braucht Licht, das ihn durchs Leben leitet und lenkt. Ist dieses Licht allerdings zu grell, kann es Menschen auch verblenden und in die Irre führen. Vor diesem Hintergrund haben wir den Namen Gegenlicht gewählt." Die Kosten für die Einrichtung der Fach- und Präventionsstelle belaufen sich auf rund 50.000 Euro.
Fachkonferenz als Startschuss
Den Startschuss für den Arbeitsschwerpunkt bildet eine Fachkonferenz am 1. Juli. Ziel ist es, eine profunde Aufnahme des Ist-Standes zu schaffen, der Austausch von Informationen und Hintergrunddaten, sowie Strategien für die Zukunft zu erarbeiten. Nationale und internationale Expertinnen und Experten sorgen dabei für einen überregionalen Austausch. Die Konferenz versteht sich aber nicht nur als Expertenaustausch, sondern auch die Brücke zur Praxis soll geschlagen werden. Neben theoretischem Input werden so etwa auch Martin Haidvogl (Magistratsdirektor Graz), Elisabeth Meixner (Bildungsdirektorin der Steiermark), Michael Lehofer (LKH Graz II) und Wolfgang Weirer (Religionspädagogik Universität Graz) zu Wort kommen. Von der wissenschaftlichen Seite freut man sich auf Elham Manea (Universität Zürich, Expertin für Islamismus und Gender), Ednan Aslan (Religionspädagoge, Universität Wien) und Max Mitera (Sicherheitsexperte und Entwickler der ROMI-Methode, Baden-Württemberg).