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Neue "Stolpersteine" in Graz verlegt

Mit Gedenksteinen werden Opfer des Nationalsozialismus gewürdigt.

07.09.2022

Heute gerät kaum jemand ins Stolpern, wenn er in der Kaiserfeldgasse 21 über das Pflaster eilt. Doch der in der Sonne schimmernde Gedenkstein, der dort aus der grauen Masse heraussticht, soll an einen tiefen Fall erinnern, den einst das Naziregime verursacht hatte.  

Es ist einer von bislang 257 "Stolpersteinen", die an das Schicksal von Menschen gemahnen sollen, die in der NS-Zeit vertrieben, deportiert, enteignet, in den Selbstmord getrieben oder ermordet wurden. An 93 verschiedenen Stellen in Graz sind die Gedenksteine nun zu finden. Sie verzeichnen die Namen, Lebensdaten und Schicksale der Opfer.

Am Mittwoch, 7. September 2022, wurde im Rahmen eines Empfangs im Grazer Rathaus weiteren Betroffenen gedacht. Bürgermeisterin Elke Kahr begrüßte neben Initiatorin Daniela Grabe vom Verein für Gedenkkultur in Graz auch die Angehörigen der Opfer, die teils aus Israel anreisten. "Viel zu lange ist über die Zeit geschwiegen worden. Wir bemühen uns, auch die dunklen Seiten der Vergangenheit in Erinnerung zu rufen", sagte die Bürgermeisterin und ergänzte: "Egal, aus welchem Land man kommt, welche Hautfarbe man hat oder welcher Religion man angehört, letztendlich zählt immer der Mensch."

Daniela Grabe, Verein für Gedenkkultur (vorn li.) und die Angehörigen der Opfer folgten der Einladung ins Grazer Rathaus

Gedenkstein in der Kaiserfeldgasse 21

In der Kaiserfeldgasse 21 wurde dann Charlotte und David Stern gedacht, die im "Falkenhof", einem historischen kleinen Schloß, lebten. David Stern war Vorstandsmitglied und zeitweise auch Präsident der Jüdischen Gemeinde in Graz. Charlotte engagierte sich unter anderem in der Flüchtlingshilfe im ersten Weltkrieg.

Nach der Machtübernahme durch die Nazionalsozialisten 1938 wurde ihr Geschäft, ein florierender Rohproduktehandel, liquidiert. Mit 80 Jahren musste das Ehepaar in eine "Sammelwohnung" nach Wien ziehen. Es flüchtete ins heutige Ex-Jugoslawien, wo Charlotte schließlich verstarb und David Stern bei einer Razzia der Nazionalsozialisten erschossen wurde, weil er Widerstand leistete. 

"Stolpersteine" für die Familie Lang

Beschreibungen zur Collage siehe unten ...
Beschreibungen zur Collage siehe unten ...© Dania Heller (4), Otmar Silberstein (3), Hanna Spectorman, arolsen-archives.org, Stadt Graz,

Am Lazarettgürtel 77 gedachte man Else, Fritz, Hans und Trude Lang. Letztere studierte 1938 Geschichte und zählte zu den wenigen jüdischen Absolventinnen, die ihr Studium noch durch eine "stille Promotion" abschließen konnte. Nach der Machtübernahme 1938 verlor die Familie ihren Wohnsitz und das Familienunternehmen. Trude Lang emigrierte nach London und schlug sich als Haushälterin und Aushilfslehrerin durch. Ihre Eltern, Else und Fritz, und ihr Bruder Hans flüchteten über Umwege nach Palästina, Trude folgte ihnen 1947. Sie arbeitete als Lehrerin und wurde zu einer Pionierin des Schulwesens. 

Zur Collage

  • 1 David Stern, um 1914, © Dania Heller
    2 Charlotte Stern, um 1900, © Dania Heller
    3 Else und Fritz Lang als junges Ehepaar, © Dania Heller
    5 Otmar, Rejla Feiga und Samuel Silberstein bei der Überfahrt nach England im
    August 1939. © Otmar Silberstein
    7 Meldezettel von Rupert Heider (Stadt Graz)
    8 Oststeite des Falkenhofes © Dania Heller
    9 Gefängniskarte von Rupert Heider, Zuchthaus Berlin-Plötzensee, Juni 1940,
    © arolsen-archives.org
    10 Trude und Kurt Philippsohn am Tag ihrer Hochzeit am 1. Oktober 1948 in Tel-Aviv,
    © Hanna Spectorman
    12 Löschungsanzeige des Familienunternehmens Stern, 13.8.1940
    13 Kleiderhaus Robert Silberstein in der Neutorgasse 6-8, © Otmar Silberstein
    14 Ehepaar Robert und Rejla Feiga Silberstein im Jänner 1939, © Otmar Silberstein

Gedenken an Rupert Heider und die Familie Silberstein

Bürgermeisterin Elke Kahr (re.) begrüßte die Angehörigen der Opfer und Daniela Grabe vom Verein für Gedenkkultur in Graz.
Bürgermeisterin Elke Kahr (re.) begrüßte die Angehörigen der Opfer und Daniela Grabe vom Verein für Gedenkkultur in Graz.© Foto Fischer

Als Rupert Heider aus der Katholischen Kirche austrat und zu den Zeugen Jehovas ging, warf ihn sein Bruder aus dem Haus. Ab September 1938 lebte der gebürtige Angerer deshalb in einer "Notwohnsiedlung" am Karlauergürtel in Graz, bis er 1940 vom Reichskriegsgericht wegen "Zersetzung der Wehrkraft und Eidesverweigerung" angeklagt, zum Tode verurteilt und wenig später im Zuchthaus Berlin-Plötzensee hingerichtet. Als er starb war er 31 Jahre alt. Ein "Stolperstein" am Karlauergürtel 24 (beim Möbelhaus Lutz) erinnert an ihn. 

Die Familie von Robert, Rejla, Amalie, Otmar und Samuel Silberstein wurden bereits 2016 Gedenksteine verlegt. Allerdings wurden sie bei Schneeräumungsarbeiten beschädigt und nun neu, an geschützterer Stelle, verlegt. 

Über das Projekt "Stolpersteine"

In Graz gibt es...

... derzeit 257 Gedenksteine an 95 Stellen im Stadtgebiet und eine Stolperschwelle. Sie sollen an das Schicksal der Menschen erinnern, die auf die eine oder andere Weise Opfer des Naziregims wurden.

Alle Biografien ...

... der gewürdigten Opfer findet man unter: stolpersteine-graz.at

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