2003 rückte Graz als europäische Kulturhauptstadt ins Rampenlicht der internationalen Bühne - mit rund 6.000 Veranstaltungen, 108 Projekten und 2,8 Millionen Besucher:innen. Was ist 20 Jahre später von dem Kulturhauptstadtjahr geblieben?
Dieser Frage gingen Mitwirkende von damals aus Kultur und Politik nach und warfen auf der Murinsel einen Rück- und Ausblick auf die Kulturhauptstadt Graz. Intendant Wolfgang Lorenz, stellvertretender Intendant Eberhard Schrempf, Kunsthaus-Chefkuratorin Katrin Bucher-Trantow, Margarethe Makovec vom Verein rotor, Vizebürgermeisterin Judith Schwentner und Kulturstadtrat Günter Riegler diskutierten in einer Podiumsdiskussion Fragen zur kulturpolitischen Lage, der Entwicklungen und Nachwirkungen der Kulturhauptstadt und wohin die Reise gehen kann.
Die Murinsel als Veranstaltungsort wurde ganz bewusst gewählt, ist sie neben Kunsthaus, Listhalle, Stadthalle, Kindermuseum und Literaturhaus, die alle 2003 eröffnet wurden, doch das sichtbarste Resultat des Kulturhauptstadtjahres. Damit all das möglich war, brauchte es Unterstützer und den Schulterschluss der Politik, in der vor allem zwei Menschen die Vision ermöglichten: Der verstorbene Kulturstadtrat Helmut Strobl, der den Stein ins Rollen brachte, und Altbürgermeister Alfred Stingl, der die Kulturhauptstadt rückblickend als vollen Erfolg sieht: „Vor 20 Jahren war das ein riesiger Fortschritt. Das Kulturhauptstadtjahr hat Graz jedenfalls einen Gewinn gebracht." Dem stimmte Altbürgermeister Siegfried Nagl zu und äußerte einen Wunsch: "Lernen wir von Künstlern und Wissenschaftlern, wie wir die Zukunft besser gestalten können."
Kann Kultur eine Stadt umdrehen?
Intendant Wolfgang Lorenz blickt auf Graz03 als ein neues Stadtgefühl, das Graz mitgegeben wurde: "Graz ist zum Stadtereignis geworden, auf das nicht nur Österreich, sondern ganz Europa blickte. Das Kulturhauptstadtjahr sollte aber nicht nur einen Effekt, sondern einen Nutzen haben. Wir müssen der nächsten Generation die Chance geben, dieses 'neue' Stadtgefühl mitzunehmen." Um ein Ereignis dieser Art zu realisieren, brauche es vor allem zwei Dinge: "Mut und eine Portion Wahnsinn, um die Kunst des Unmöglichen möglich zu machen.
Eroberung des öffentlichen Raums
Für den stellvertretenden Intendanten Eberhard Schrempf war es, als hätte Gaz03 die Stadt übernommen: "Wir wollten, dass man um das Kulturhauptstadtjahr nicht herumkommt. Überall, wo man hinging, war Kultur und Kunst präsent." Mit einem großen Fokus auf den öffentlichen Raum ist das gelungen. In zahlreichen Projekten wurden die Menschen vor Ort miteinbezogen, wie etwa dem Homeless Worldcup, einem Fußballturnier für Obdachlose am Hauptplatz und zahlreichen Interventionen im damals schon internationalsten Stadtteil Gries. „Diese Projekte, die das Zusammenleben vor Ort und die interkulturelle und soziale Praxis stärken, daran sollten wir uns wieder erinnern", betont Vizebürgermeisterin Judith Schwentner.
Rückblick und Ausblick
Ob ein Ereignis dieser Art nochmal möglich sei? Kulturstadtrat Günter Riegler betont in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Graz als Kulturproduktionsort: "Graz hat es verdient, dass wir finanziell, infrastrukturell und verwaltungstechnisch in die Kulturproduktion investieren. Dabei müssen wir uns immer fragen, welchen Themen wir uns widmen wollen und wohin die Entwicklung gehen soll." Das nächste Kulturjahr sei bereits in Überlegung - möglicherweise zum 900-jährigen Jubiläum von Graz im Jahr 2028.