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Aus der BIG-Jubiläumsausgabe: Interview mit dem Grazer Mikrobiologen Fritz Treiber

"Man muss nicht immer essen"

04.04.2025

Gerade ist Fritz Treiber zurück aus Wien. Der Grazer Mikrobiologe, der an der Karl-Franzens-Universität Graz lehrt, geht ein und aus beim ORF am Küniglberg. Er schafft es hervorragend, hochkomplexe Inhalte zur Ernährung einfach auf den Punkt zu bringen. Gerade war er als wissenschaftlicher Experte in der Barbara-Karlich-Show zu Gast. Thema: Insekten im Essen. Die BIG traf ihn zum Gespräch über Wissenschaftskommunikation, die ankommt, und eine Diät für den Planeten.

Ernähren Sie sich gesund?

FRITZ TREIBER: Im Laufe der Zeit habe ich eine wichtige Erkenntnis gewonnen: Man muss nicht immer essen. Auch wenn man keine Zeit hat, man verhungert nicht. Heute habe ich das Frühstück ausfallen lassen, warum nicht? Das intermittierende Fasten liegt in der Zeit. Ich lasse die Finger von Naschereien in den Essenspausen, weil sofort die Fettverbrennung eingestellt wird. Eine gesunde Nuss aus der Bürolade und es ist vorbei damit. Ich versuche, mehr Gemüse zu essen, Linsen schmecken mir, Kichererbsen ... Selbst kochen macht mir Spaß, auch mit meiner Freundin am Abend.

Was, wenn man keine Zeit zum Kochen hat?

TREIBER: Und wie viele Stunden ist man auf Social Media? Eine Suppe geht sich da immer aus, dann sieht man eben eine Katze, die Flöte spielt, weniger. Im Endeffekt muss aber jeder selber wissen, ob er kochen will oder nicht, die Zeit ist keine Ausrede, Rezepte, Köchinnen und Köche, die alles vorzeigen, gibt's gratis in den sozialen Medien. Aber meine Maxime bei all meinen Tätigkeiten im Rahmen der Wissenschaftskommunikation: Ich will darauf hinweisen, was in den Lebensmitteln steckt, wie man etwas besser machen kann und dann soll der Mensch sich entscheiden können. Wenn jemand sagt, Cola mit Leberkäsesemmel ist mein Glück auf Erden, soll er das essen, wenn er weiß, dass es nicht das Beste für die Umwelt und seinen Körper ist. Aber man hat die Wahl und ist informiert.

Sie sind Koordinator des Studiengangs „Ernährung, Gesundheit und Konsum". Lehren Sie die Studierenden auch Kochpraxis?

TREIBER: Ja, sie kochen bei uns im Geschmackslabor. Nach dem neuen Lehrplan haben sie noch mehr Praxis, weil es von den Studierenden gewünscht wurde - fünf bis sechs praktische Einheiten. Sie kochen unter anderem ein wissenschaftliches Menü, in dem die ganzen Hintergründe geprüft werden, und ein Menü nach dem Motto „Shit happens" - woran liegt‘s wenn was schief geht, wenn ein Soufflé zusammenfällt? Sie müssen das später den Schüler:innen erklären können. Am Ende muss man noch mit minimalen Zutaten etwas Geniales zaubern, was den Kindern und Jugendlichen schmeckt und cool ausschaut.

Was lernen die Schüler:innen im Unterricht noch?

TREIBER: Man lernt den Umgang beim Einkauf - was kostet was? Was steckt drinnen? Wichtig ist, dass sie kochen lernen und sehen, wie schnell man eine Suppe selbst zubereiten kann. Waste-Management wird eingebracht, wie man mit Resten kocht. Aus braunen Bananen wird ein Bananenbrot, es ist insgesamt ein sehr nachhaltiges Arbeiten. Weniger Fleisch, mehr Hülsenfrüchte, wie man kritisch mit Social Media umgeht ...

Wie geht man denn damit um ...?

TREIBER: Wenn einer im Werbevideo eine Pizza und einen Eistee in der Hand hat, dazu rappt und das cool ist, hat man verloren, würde man das als Lehrkraft verbieten. Aber man kann darauf aufmerksam machen, was drinnen steckt, und dass man sich mit nur einem Essen eine Tagesration an Kalorien einwirft. Warum schaut der, der dafür wirbt, schlank aus? Weil er‘s nicht selbst isst und weil euer Geld haben will, darum gibt's gratis die Musik auf YouTube. Das ist die Zugangsweise, Jugendliche zum Denken anzuregen.

Mikrobiologe Fritz Treiber beim ORF-Dreh im Studio 2

Planetary Health Diet im Geschmackslabor

Mit Ihren Kursen im Geschmackslabor der Uni Graz und Ihren Auftritten beim ORF kommunizieren Sie einer breiten Masse Wissen ...

TREIBER: Man kann nicht alle erwischen, aber man kann eine Zielgruppe finden und ihr Inhalte vermitteln. Es gibt mittlerweile so viele Medien, Informationsvermittlung wird riesig aufgeblasen, es gibt Nischen und Bubbles. Deshalb nehmen wir ein Thema, schauen, dass es so aufgearbeitet ist, dass es verständlich ist, ohne dass ein Universitätsstudium oder die Matura Voraussetzung sind. Wenn man das schafft, erreicht man den großen Teil der Leute, der auch etwas damit anfangen kann. Man muss sich immer selber die Frage stellen: Will ich das hören, würde ich da hingehen? Wir haben eine große Konkurrenz durch You- Tube und Social Media. Wenn ich meine Inhalte online vermitteln würde, wäre die Aufmerksamkeitsspanne viel geringer und ich müsste mit allen konkurrieren. Im Geschmackslabor koche ich mit 20 Leuten. Besser 20 als 20.000 Follower, die den Inhalt liken und drei Tage später nicht mehr wissen, was ich da gebracht habe. Wenn jemand aus dem Kurs geht, sich freut und wiederkommt, dann ist das Motivation für mich. Übers Fernsehen erreiche ich 400.000 Leute, wenn die Hälfte einschläft, sind das trotzdem noch viele, die das vielleicht interessiert.

Was macht Wissenschaftskommunikation letztendlich aus?

TREIBER: Man muss die Themen runterbrechen, das ist viel Arbeit, aber notwendig. Ich kann einen Fachvortrag vor Forschungskolleg:innen halten, der wird an anderer Stelle, wo Leute nicht zwischen Ion und Molekül unterscheiden können, nicht ankommen.  Auch ein Theologe versteht in unserem Labor die Grundlagen nicht und umgekehrt - Stichwort Philipperbriefe.

Wie ist das Geschmackslabor der Uni Graz entstanden?

TREIBER: Bei einer „Langen Nacht der Forschung" in Graz haben wir molekularen Campari-Kaviar gemacht und es waren hunderte Leute da, die ihn probieren wollten. Wir haben uns gefragt, ob man mit Molekularküche Wissenschaft kommunizieren kann, haben das ausprobiert und dann 2012 das Geschmackslabor gegründet. Wir nehmen uns mittlerweile eine Vielzahl an kulinarischen Themen an - mit Kulinarhistoriker Helmut Klug haben wir die Mittelalterküche entwickelt. Für den Kurs Grillen wie im Mittelalter sind noch Plätze frei.

Darf man sich das vorstellen wie beim Ritteressen, Fleisch an Fleisch gefüllt mit Fleisch?

TREIBER: Mittelalterküche bedeutet nicht Fleisch, Schnitzel und Würstel, bis man vom Tisch fällt oder Berge von Erdäpfeln und Pommes frites, die gab's ja damals noch gar nicht in Europa - es ist eine sehr gefinkelte Küche. Die Rezepte sind 600, 700 Jahre alt. Es ist die Herrschaftsküche, die überliefert ist. Das ist, als würden wir in 700 Jahren die Rezepte von Heinz Reitbauer (Anm.: 3-Sterne-Koch, Steirereck in Wien) ausgraben. Auf so einem Niveau wurde da gekocht. Wir versuchen, die alten Rezepte in die heutige Zeit zu übertragen und vermitteln Wissen dazu. Im mittelalterlichen Grillkurs geht es auch um Saucen, man hat damals viel getunkt, das passt gut zum Grillen im Sommer.

Ein weiterer Kochkurse, die Sie für die Öffentlichkeit anbieten, ist „Planetary Health Diet" - was steckt dahinter, den Planeten heilen zu wollen?

TREIBER: Das ist ein von Wissenschaftler:innen entwickelter Speiseplan, der die Gesundheit des Planeten und des Körpers schützen soll. Er ist auf Österreich angepasst. Eine Diät für den ganzen Planeten macht keinen Sinn, weil überall unterschiedlich geerntet wird, andere Lebensmittel zur Verfügung stehen. Es geht auch nicht darum, gleich das ganze Essen umzustellen, sondern Ideen zu heimischen Lebensmitteln wie Linsen oder Mais zu haben. Wir vermitteln die wissenschaftlichen Hintergründe und kochen dann Kichererbsenröstis oder Apfel-Hirsecreme. Wenn‘s nur fürs Klima wäre, würde das wenige Leute interessieren, aber weil's auch gut für den Körper ist, ist das eine Extramotivation. Und es muss schmecken. Es ist auch kein Verbot, man muss nicht vegan oder fleischlos kochen. Aber man kann weniger davon essen. Statt einer Wurst nur ein paar Radl, die ich in der Pfanne anschwitze - mit anderen gesunden Dingen ist das super.

Zum Thema heimisch - wie sind Sie mit Graz verwurzelt?

TREIBER: Ich habe früh Einblicke in die Gastronomie bekommen. Ich bin in Virginia geboren, weil meine Eltern dort gearbeitet haben, bin aber als Kind wieder nach Graz gekommen. Meine Mama ist Köchin, sie hat in der Gösser gelernt, mein Papa war Sommelier im Watergate Hotel, mein Großvater war Brauer, mein Onkel Braumeister bei Reininghaus. Mein Weg war also vorgezeichnet, aber die Gastronomie nie meins. Trotzdem bin ich auf Umwegen wieder in dem Themenfeld gelandet.

Gibt's noch ein anderes interessantes Medium, mit dem sich Wissen kommunizieren lässt?

TREIBER: Ich denke gerade über einen Podcast nach. Kein Ewigkeitspodcast mit zwei Stunden, sondern eine Viertelstunde zu einem wissenschaftlichen Thema zur Ernährung der Zukunft.

Interview Birgit Pichler

Fritz Treiber lebt und arbeitet in Graz, er ist Mitbegründer des Geschmackslabors der Karl-Franzens-Universität Graz.

Zur Person & zum Geschmackslabor

Fritz Treiber wurde in Falls Church, Virginia (USA), geboren. Er studierte Mikrobiologie und Molekularbiologie an der Karl-Franzens-Universität in Graz und ist unter anderem Koordinator für den Studiengang Ernährung, Gesundheit und Konsum. Seit 2008 ist er an der 7. Fakultät beschäftigt.

Er entwickelte Formate in der Wissenschaftskommunikation wie den Botanik Brunch, Brain Game und Science & Cinema. Darüber hinaus gründete er 2012 zusammen mit Helmut Jungwirth das Geschmackslabor der Uni Graz.

Mehr dazu und zu den öffentlichen Kursen: Geschmackslabor der Uni Graz

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