Am 11. Juni fand im Grazer Congress der erste Mobilitätsdialog statt, zu dem rund 300 interessierte Bürgerinnen und Bürger kamen, um sich über den Weg zum Mobilitätsplan 2040 zu informieren und ein erstes Feedback dazu zu geben. Es ging darum, wie und womit wir in Zukunft unterwegs sein werden. Die Veranstaltung bot einen inspirierenden Einblick in die zukünftige Mobilität der Stadt Graz und war geprägt von positiver Stimmung und produktiven Diskussionen.
Vizebürgermeisterin Judith Schwentner, Stadtbaudirektor Bertram Werle und Verkehrsplanungschef Wolfgang Feigl begrüßten die Teilnehmenden und wurden vom Moderationsteam – Barbara Hammerl vom Stadtlabor und Timo Köhler vom Referat für Bürger:innenbeteiligung – interviewt.
Judith Schwentner betonte die Bedeutung des Dialogs: „Ich bin allen dankbar, die heute gekommen sind und ihre Ideen und Beiträge zu dem Thema liefern. Wir haben hier einen sehr ausführlichen Prozess gestartet und einen Plan, der sich am Klimaschutz orientiert. Die Ziele haben wir im Gemeinderat bereits beschlossen. Und zwar, dass 2040 80 Prozent aller Wege in Graz zu Fuß, mit dem Rad und den Öffis zurückgelegt werden und nur noch 20 Prozent mit Kfz. Wir wissen, dass sich etwas ändern muss, und dass diese Veränderung am Anfang auch für Verunsicherung sorgen kann. Aber wir können durch diesen Wandel auch einen Mehrwert generieren, die Stadt und den öffentlichen Raum anders verteilen und grüner gestalten. Und es wird nach wie vor Orte geben, wo Autos unterwegs sein werden."
Stadtbaudirektor Bertram Werle hob die Notwendigkeit hervor: „Bei großen Themen ist so ein Plan als Handlungsanweisung für ein definiertes Ziel zu verstehen. Graz ist in den letzten Jahrzehnten um 80.000 Hauptwohnsitze gewachsen, auch im Umland leben viel mehr Menschen. Der Platz wird also nicht mehr, wir müssen ihn gut verteilen. Als Stadt haben wir bereits andere Pläne, wie etwa das Stadtentwicklungskonzept, in dem wir festlegen, wo Infrastrukturmaßnahmen notwendig, aber auch wo Freiräume nötig sind. Mobilität endet freilich nicht an unseren Stadtgrenzen. Rund 50 Prozent des Kfz-Verkehrs kommt von außerhalb. Um den Lebensraum gut zu entwickeln, brauchen wir auch den Schulterschluss mit dem Land und dem Bund."
Wolfgang Feigl, Leiter der Grazer Verkehrsplanung, betonte die Bedeutung der Zusammenarbeit: „Wir brauchen das Mittun vieler und sammeln dadurch Erfahrungen, die in unsere Strategien miteinfließen. Neben dem Bund hat auch die EU Mobilitätspläne, als Stadt wollen wir es selbst in die Hand nehmen, wie wir Veränderungen angehen. Wichtig ist, dass man die einzelnen Bedürfnisse kennt. Kinder, Seniorinnen und Senioren, Wirtschaft, NGOs - wir stellen uns die Fragen, welche Maßnahmen für all diese Gruppen notwendig sind, damit wir eine gute Veränderung in der Mobilität schaffen. Wir in Graz haben bereits vieles erreicht, waren etwa 1992 die erste europäische Stadt, in der flächendeckend Tempo 30 eingeführt wurde. Wir orientieren uns aber natürlich auch an Städten, die das Ziel, das wir anstreben, bereits erreicht haben."
Vorbildstadt Freiburg
Eine dieser Städte ist Freiburg im deutschen Baden-Württemberg. Der Verkehrsplaner der 235.000 Einwohner-Stadt, Peter Schick, konnte unter anderem berichten, dass auch dort jahrzehntelange Diskussionen und ein langer Atem nötig waren, um den Anteil des Umweltverbundes – dazu zählen Zufußgehen, Radfahren und das Nutzen der Öffis auf den jetzigen Stand von 80 Prozent zu bringen. Mit welchen Maßnahmen sie das erreichten, erklärte er in seiner spannenden Key-Note zum Thema: „Klimamobilitätsplan Freiburg". Was er Graz rät? „Bleiben sie dran, auch wenn bei dem einen oder anderen Projekt die Diskussionen hochkochen und es sich gefühlt nach Weltuntergang anhört – am Ende finden es fast alle gut."
Der gemeinsame Weg
Im Anschluss berichteten die Projektleiterin des Mobilitätsplans 2040 (MP2040), Barbara Urban, sowie Katharina Schwarz vom StadtLabor und Barbara Bretterklieber vom Referat für Bürgerbeteiligung über die Herausforderungen und die Beteiligungsmöglichkeiten für die Grazerinnen und Grazer. Urban betonte: „Der Faktor Zeit spielt natürlich eine Rolle. Es gibt viele Maßnahmen, die wir aber nicht alle auf einmal umsetzen werden. Und ja: alles kostet Geld, Unterstützung von Land, Bund und auch Förderungen werden notwendig sein. Das Wichtigste ist allerdings, die Menschen in Graz davon zu überzeugen, dass die Verkehrsänderungen der richtige Weg sind. Wir wollen auf jeden Fall das Angebot für den Umweltverbund so verbessern, dass die Menschen besser umsteigen können und wollen."
Katharina Schwarz hob hervor, wie wichtig der Dialog mit verschiedenen Stakeholdern, der Wissenschaft, Wirtschaft und Politik von Anfang an war, während Barbara Bretterklieber auf die Online-Beteiligungsmöglichkeiten hinwies: „Sie finden unter www.graz.at/mp2040 alle Infos zum Prozess sowie die bereits erarbeiteten Inhalte des Mobilitätsplans 2040. Wir arbeiten derzeit auch mit Hochdruck an einem Online-Tool, damit die Grazerinnen und Grazer Hinweise, Anregungen und Feedback geben können."
Der Mobilitätsplan 2040 – Maßnahmen
Welche Maßnahmen nun diese Verkehrswende einläuten sollen, darüber berichteten Michael Szeiler von con.sens mobilitätsdesign und Harald Frey, TU Wien Institut für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik und boten in Doppelconférence einen Überblick über Geschichtliches, welche Maßnahmen und Projekte bereits jetzt zum Mobilitätsplan 2040 passen und wo wir stehen.
Konkret: Derzeit werden laut Modalsplit in Graz 40,5 Prozent aller Wege mit Kfz, 18,2 Prozent mit dem ÖV, 20,3 Prozent mit dem Rad und 21 Prozent zu Fuß zurückgelegt. Das bekannte Ziel für 2040: künftig 80 Prozent Umweltverbund und nur mehr 20 Prozent mit dem Auto. Dass diese Ziele erreichbar sind, darüber sind sie sich einig: „Eine 1,5 Prozent-Veränderung pro Jahr ist möglich."
Der MP2040 bildet jedenfalls den strategischen Rahmen. Der derzeitige Zwischenstand ist unter „Maßnahmen und Handlungsfelder" bei Inhalte des Mobilitätsplans 2024 nachzulesen.
Vorschläge sind zum Beispiel:
- Superblocks: mehrere Häuserblöcke werden zu verkehrsberuhigten Zonen zusammengefasst und es gibt keinen Pkw-Durchzugsverkehr, dafür gibt es mehr Schul- und Wohnstraßen, Begegnungszonen und geringeres Tempo.
- Stadt der kurzen Wege dank der Umsetzung der Masterpläne Gehen und der Radoffensive mit dem Land Steiermark
- Verringerung von Vorrangstraßen, wobei der Kfz-Verkehr besser gebündelt, Quartiere mit Pkw aber weiter gut erreichbar bleiben sollen. Das Ziel: den Durchzugsverkehr in Wohnquartieren zu verringern
- Kostenpflichtiges Parken im gesamten Stadtgebiet, weniger Stellplätze, dafür mehr Anwohner:innenparken,
- Klimafitte und lebenswerte Hauptstraßen, auch wenn dort der Verkehr gebündelt wird.
- Die Kernprojekte der ÖV-Strategie bzw. des Masterplans ÖV mit S-Bahn-Tunnel, Straßenbahn-Netz-Erweiterungen (z. B. Südwestlinie), Kapazitätserhöhungen im Bahnverkehr als Schlüsselprojekte
Im Dialog
Gespickt mit all diesen Informationen hatten die Besucher:innen die Möglichkeit, in unterschiedlichen Dialog-Settings ihr Feedback zu geben und den Expert:innen Fragen zu stellen. Sie konnten aus drei Themen wählen und sich dort persönlich einbringen:
- Alltagsmobilität – wie werden wir zukünftig im Alltag unterwegs sein (müssen)?
- Verkehrsberuhigung umsetzen und Erreichbarkeiten sicherstellen – geht das?
- Stadt-Umlandverkehr
Auch die Planer:innen waren dabei, nahmen die Anregungen auf und hörten ganz genau zu, welche Themen die Menschen beschäftigen.
Eine Kurzzusammenfassung daraus lieferten im Anschluss Michael Szeiler, Mark Richter und Harald Frey, die sich über die rege Teilnahme freuten und mitnahmen, dass Information und „das Miteinander reden" ein Schlüssel zum Erfolg sein muss.
Bei einem weiteren Podiumsgespräch brachten sich noch Landesbaudirektor Andreas Tropper, der Grazer Klimaschutzbeauftragte Thomas Drage, die Leiterin des interuniversitären Zentrums für aktive Mobilität Nina Hampl und abermals Peter Schick von der Abteilung Verkehrsplanung der Stadt Freiburg ein, um kurz zusammenzufassen, welche weiteren Schritte und Strategien anstehen und wie man gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern an einer guten Zukunft für die nächsten Generationen arbeitet.
Ausblick und Gewinn
Zum Abschluss gab Barbara Urban einen Ausblick auf die nächsten Schritte: „Bis September werden wir das Maßnahmenprogramm fertigstellen, damit es der Gemeinderat beschließen kann. Alles, was wir von Ihnen gehört haben, wird darin einfließen und auch online werden wir noch eine Umfrage starten und diese Ergebnisse mitnehmen."
Für einige der Besucherinnen und Besucher gab es noch besondere Gewinne. Fünf 10-Zonen-Karten der Holding Graz Linien sowie Graz-Gutscheine wurden verlost. Der Hauptgewinn, ein Jahres-Klima-Ticket-Steiermark, ging an Stefan Bendiks.
Der Mobilitätsdialog zeigte eindrucksvoll, wie engagiert die Bürgerinnen und Bürger von Graz an der Gestaltung ihrer zukünftigen Mobilität mitwirken. Die positive Grundstimmung und die konstruktiven Beiträge lassen auf eine erfolgreiche Umsetzung des Mobilitätsplans 2040 hoffen.